24. Dezember 2002
Übersetzung von Kai Hackemesser
Quelle: http://www.investmentrarities.com/weeklycommentary.html
Vorwort
Dr. Kurt Richebacher hat eine unheimliche Fähigkeit demonstriert, zukünftige wirtschaftliche Probleme zu identifizieren. Der frühere Chefvolkswirt der Dresdner Bank warnte vor der Rezession und dem NASDAQ-Crash Monate, bevor es geschah. Er sagte den Zusammenbruch der asiatischen Tiegerstaten 1998 voraus und lies lange vor Enron die Alarmsirenen ertönen, was die Tricks um die Unternehmensgewinne anging. Als beinahe jeder sich einer V‑förmigen Erholung sicher war, behauptete er, daß dies unmöglich sei.
Als Meister der klassischen Volkswirtschaft und vielleicht der beste analytische volkswirtschaftliche Denker der heutigen Welt schreibt Dr. Richebacher einen monatlichen Rundbrief, den „Richebacher-Brief”. Bei seinem beeindruckenden Rekord genauer Warnungen und Voraussagen angesichts der meist einstimmigen Opposition aus Establishment-Volkswirtschaften denken wir, daß das folgende Interview mit voller Konzentration und Kombinationsfähigkeit gelesen werden sollte.
Damals im März’97 warnten Sie, daß ernste Probleme die schwer verschuldete Wunderwirtschaft im Fernen Osten bedrohen. Warum hatten Sie dieses Problem ins Licht gerückt?
Ihr Boom war kreditinduziert. Sie gerieten schwer in Schulden, um exzessiv zu bauen.
Die gleiche alte Geschichte?
Ja, Abgezogene Gelder und Kreditwachstum und die typischen Symptome von sich überhitzenden Volkswirtschaften — Inflation, Spekulation und finanzielle Exzesse.
Dann, im Juni’98 sagten Sie, „Später dieses Jahr wird sich die US-Wirtschaft abrupt verlangsamen”. Was hatten Sie wahrgenommen?
Die Gewinne gaben nach und Unternehmen neigten zu selbstzerstörerischen Finanztricks und Buchhaltungsmanövern einschließlich schwerer Spekulationen und Leveraging. Ich schrieb, daß einige durch explodierende Papierwerte unglaublich reich wurden, aber Ersparnisse und Kapitalbildung erbärmlich seien.
Dann sagten Sie den Zusammenbruch des Aktienmarktes und der Technologieblase voraus. Wie konnten Sie das?
Die großen spekulativen Manien der Geschichte waren mit Neuerungen verbunden, die große öffentliche Begeisterung auslösten. Das war auch der Fall beim Internet, und damit einhergehend hatten wir die allgegenwärtige Überschwemmung mit Geld und Kredit. Ja, ich schrieb, ein Bärenmarkt sei unausweichlich.
Ende 1999 nannten Sie es eine klassische spekulative Blase. Warum nur Sie, sonst niemand? Ich denke, Lawrence Kudlow sagte, das Internet sei wichtiger als die Fed und der Dow müsse auf 30.000, 50.000 oder höher steigen.
Ja, die Art von Unsinn half, den Boom an der Wallstreet zu fördern. Wir erwarteten, daß ein scharfer Einbruch in Technologiewerten der Todesstoß für die größere US-Aktienmarktblase sein würde, wie es dann auch kam.
Im Herbst 2000 war der Glaube weit verbreitet, daß die US-Volkswirtschaft eine weiche Landung haben würde. Was war Ihre Meinung hierzu?
Nun, ich schrieb, daß Hoffnung auf eine weiche Landung in der US-Wirtschaft völlig fehl am Platze sei. Die Kreditexzesse der späten 90er waren viele male schlimmer als die der 80er oder gar der 20er. Ebenso die Unausgewogenheit in der Volkswirtschaft und dem Finanzsystem. Sie brauchten bloß die private 0%-Ersparnis-Quote und das erstaunliche Handelsbilanzdefizit betrachten. Angesichts dieser katastrophalen Tatsachen von exzellenten Fundamentaldaten der US-Volkswirtschaft zu sprechen erfordert schon eine ziemliche Dummheit.
War es die schlimmste Kreditblase der Geschichte?
Absolut richtig.
Was sagten sie damals zu der V‑förmigen Erholung, die alle diese Experten voraussagten?
Ich schrieb, daß es eine große Überraschung geben würde, wie schnell die US-Volkswirtschaft in naher Zukunft schwächer würde.
Worauf basierte Ihre Voraussage?
Die Gewinne brachen ein, die schwerverschuldeten Unternehmen schränkten ihre Ausgaben ein und neue Investitionen in Kapitalgüter wurden zurückgestellt. Ernste Probleme überall.
Das bringt uns in die Gegenwart. Werden wir wider in die Rezession geraten?
Ja. Die drastische Schwäche der US-Volkswirtschaft wird wie ein großer Schock über die Welt hereinbrechen. Ein fallender Dollar wird daraus einen Alptraum machen.
Was macht Sie so sicher? Die meisten Volkswirtschaftler sehen eine Erholung.
Ich bin bestürzt über das niedrige Niveau von volkswirtschaftlichem Denken in den USA. Jahrhundertealte Grundlageneinsichten in volkswirtschaftliche Prozesse sind unbekannt, verworfen oder sogar auf den Kopf gestellt. Die Fakten sind, daß Sie ernsthafte strukturelle Probleme haben, die jegliche Möglichkeit einer längern wirtschaftlichen Erholung ausschließen.
Welche wären?
Der Gewinnrückgang, die Rekordknappheit an Ersparnissen, ein Zusammenbruch der Kapitalausgaben, ein nie dagewesenes Konsumenten-Kreditkaufgelage, ein gewaltiges Handelsbilanzdefizit, wüste Bilanzen und rekordhohe Schuldenstände.
Klingt ja furchtbar. Sind sie alle gleich schlimm?
Die schlimmsten sind die Depression bei den Gewinnen und den Kapitalausgaben. Sie treiben sie gegenseitig weiter abwärts im Teufelskreis.
Warum hört man so was nicht von den Mainstream-Volkswirtschaftlern?
Nicht nur die Volkswirtschaftler, sondern die Politikmacher der USA und die Öffentlichkeit leugnen die Schwere der volkswirtschaftlichen und finanziellen Situation.
Aber warum?
Das Hauptproblem ist das fehlende Verständnis und ein blindes Vertrauen in die Omnipotenz der Federal Reserve.
Nun, die Fed hat die Zinssätze aggressiv gesenkt. Das hat in der Vergangenheit gewirkt, oder?
Dieser Rückgang unterscheidet sich dramatisch von allen anderen Rezessionen nach dem zweiten Weltkrieg. Er wurde nicht durch ängstliches Geld, sondern durch unerträgliche Ausgabenexzesse ausgelöst, welche ein überdehntes Finanzsystem zurücklassen.
Sie meinen, die niedrigen Zinssätze wirken nicht?
Zum ersten mal seit dem Zweiten Weltkrieg sind die US-Volkswirtschaft und sogar der Aktienmarkt zusammengebrochen, und das vor dem Hintergrund der aggressivsten Zinssatzsenkungen durch die Federal Reserve und dem wuchernsten Geldmengen- und Kreditwachstum aller Zeiten. Die Kräfte, welche die US-Volkswirtschaft diesmal herabdrücken, unterscheiden sich radikal von denen der letzten Rezessionen.
In welcher Hinsicht?
Die Implosion der Gewinne ist der offensichtlichste und wichtigste Aspekt.
Die Fed hat die Zinssätze gesenkt, um die Ausgaben zu erleichtern. Sie sagen, die niedrigen Zinssätze würden nicht wirken, aber das Volk nutzt doch den Vorteil der niedrigen Zinssätze, um weiter auszugeben, oder etwa nicht?
Das stimmt. Amerika bekämpft die Rezession mit einfach noch mehr Konsumexzessen.
Können die Konsumenten das Schiff über Wasser halten?
Das Verbrauchervertrauen fällt bereits. Noch wichtiger, die Volkswirtschaftlichen Eckdaten für die letzten paar Monate lassen einen schlußfolgern, daß der Amerikanische Verbraucher sich bereits zurückzieht.
Davon hört man nichts.
Niemand will es wahrhaben. Ein Grund könnte sein, daß einfach nichts mehr in Sicht ist, um die US-Wirtschaft zu fördern.
Aber das Einkommen der Verbraucher wächst doch, oder nicht?
Nein, das Wachstum ist zum Stillstand gekommen, und ein Großteil des Wachstums kam durch die Steuersenkung.
Also könnten die Konsumentenausgaben auch stagnieren?
Vor allem wenn die Verbraucher fortfahren, ihre Ersparnisse neu aufzubauen, was seit kurzem erst mit drei bis vier Prozent des frei verfügbaren Einkommens geschieht. Dies wird in Zukunft möglicherweise zunehmen. Das ist die Art von Dingen, welche die Kreditkaufexzesse des Booms beenden werden.
Warum?
Jeder Zuwachs in den Ersparnissen übt eine Gegenkraft auf das Wirtschaftswachstum aus, drückt die Gewinne.
Nun, bis jetzt hat der Verbraucher nicht spürbar nachgelassen.
Er hat den Tag der Abrechnung verschoben, indem er sich mit mehr Schulden belädt. Viele dieser Schulden werden nicht zurückgezahlt werden können.
Sie sagen, das Volk habe Vertrauen in seine Währungsbehörden. Das sei ein Grund für sie, weiter Geld auszugeben.
Dieser Glaube ist äußerst verblüffend. Er verdrängt die Tatsachen. Er basiert darauf, daß die Federal Reserve ohne Sinn und Verstand Geld und Kredit erzeugt, und daß der Verbraucher ohne Sinn und Verstand Geld leiht und ausgibt. Niemand scheint die außergewöhnlichen Exzesse dieser beiden zu verstehen und wie sie für die jetzige volkswirtschaftliche und finanzielle Misere verantwortlich sind.
Da stimme ich Ihnen zu. Die Leute sehen keine Vorboten dieser Entwicklung.
Es wird Zeit, daß sie es tun. Die Wirtschaftsnachrichten werden schlimmer und schlimmer. Niemals zuvor hat die Welt solch eine massive Vernichtung von Aktienvermögen gesehen, und niemals zuvor haben die Unternehmensgewinne und Kapitalausgaben der Unternehmer solch scharfe Einbrüche erlebt.
Sie sehen die Unternehmergewinne als einen Schlüssel der ganzen Krise, oder?
Wir haben in den früheren Boom-Jahren fortwährend vor der unüblich schwachen Gewinnperformanz der Volkswirtschaft gewarnt. Als sie 2001 scharf verlangsamte, entwickelte sich daraus praktisch eine Gewinnimplosion. Die Gewinnmargen sind die niedrigsten seit der Depression in den 30ern. Zudem ist nichts in Sicht, was diese zunehmende Gewinnerosion umkehren könnte.
Was sind die Konsequenzen?
Generaldirektoren haben gegenüber dem Gewinndesaster kapituliert. Ihre Lösung ist eine radikale Kürzung ihrer Investitionsausgaben.
Warum sind Investitionsausgaben und Kapitalbildung so wichtig?
Im Grunde dreht sich alles um Kapitalinvestition. Sie ist die kritische Masse im Prozeß des volkswirtschaftlichen Wachstums, welcher all die Dinge erzeugt, die Wohlstand und Lebensstandard anheben. Kapitalinvestition bedeutet die Errichtung neuer Gebäude, Anlagen und Maschinen. Dies erzeugt Nachfrage, Beschäftigung, Einkommen, Gewinne und greifbares Vermögen. Die Installation dieser Kapitalgüter erzeugt wachsende Nachfrage, Produktivität, Beschäftigung, Einkommen und Gewinne, welche nebenbei auch die Kredite tilgen. Man merke sich, daß Kapitalbildung strategisch wichtig ist, um allgemeinen Wohlstand zu erzeugen.
Verstehe. Was also verursacht den Gewinnrückgang, welcher die Kapitalinvestition ruiniert?
Lassen Sie mich zunächst sagen, wenn Sie die Schlüsselrolle der Gewinne bei der Gestaltung der volkswirtschaftlichen Aktivität bedenken, ist es verwunderlich, wie wenig Aufmerksamkeit dieses außergewöhnliche Blutbad bei den Gewinnen erhält. Vor allem da nichts in Sicht ist, was die Profitabilität der US-Unternehmen verbessern und die kommerzielle Kapitalinvestitionen stimulieren könnte.
Nennen Sie uns den Grund für das Gewinnproblem.
Kostensenkungen der Unternehmen zum Beispiel. Die weitverbreiteten Maßnahmen, welche einzelne Firmen durchführen können, um ihre eigenen Gewinne zu verbessern, haben insgesamt den gegenteiligen Effekt auf die Gewinne anderer Firmen. Kommerzielle Ausgaben sind die Hauptquelle kommerzieller Einnahmen, nicht die Verbraucherausgaben. Eine Kürzung in kommerziellen Ausgaben kürzt kommerzielle Einnahmen. Höhere Gewinne und höherer Reichtum können nicht einfach aus der allgemeinen Kostensenkung entstehen.
Was sonst beeinträchtigt die Gewinne?
Steigende Wertminderung auf Anlagen und Ausstattung nagt an den Gewinnen.
Und?
Unternehmen nehmen gewaltige Summen an neuen Krediten auf, und die Zinslasten sind ein rekordhoher Aufwand. Beispielsweise schluckte Zinsaufwand 1997 23% der Gewinne in der Fertigung, 2001 waren es fast 100%.
Aber die geliehenen Gelder flossen in produktive Anlagen, welche Gewinne steigerten, oder?
Nur wenig floß in wirklich neue Investitionen. Das größte Batzen ging drauf für Fusionen, Übernahmen und Aktienrückkäufe, trug rein gar nichts zur Produktionskapazität bei. Gewaltige Summen lösten sich in wertlosem Goodwill auf, was die absurd hohen Zahlungen für Übernahmen reflektiert.
Nichts von dieser Kreditaufnahme hat den Gewinnen genutzt?
Nein. Als die Gewinne runtergingen, haben die Konzerne effektiv ihre Bilanzen und Kreditratings ruiniert. Der Verfall der Kreditqualität ist unglaublich.
Zurück zur Diskussion über Gewinnprobleme. Was zehrt noch an den Gewinnen?
Der wichtigste von allen. Das US-Handelsbilanzdefizit hat die US-Unternehmensgewinne vernichtet. In vier Jahren steigerte sich dieses von 128 Milliarden Dollar auf 450 Milliarden jährlich.
Wie drückt das Handelsbilanzdefizit auf die Gewinne?
Indem es regelmäßiges Einkommen und Ausgaben von inländischen Herstellern auf ausländische Hersteller umleitet. Das Handelsbilanzdefizit impliziert einen direkten Transfer der Gewinne der Vereinigten Staaten ins Ausland. Angesichts der monströsen Größe des Defizits muß es die US-Gewinne praktisch massakrieren.
Was bewirkt dieser Gewinnrückgang für den Aktienmarkt?
US-Aktien sind auch heute noch überbewertet. Der schlimmste Teil des Bärenmarktes wird noch kommen und wird ind einer vollständigen Zerstörung des finanziellen Reichtums enden, welcher aus der Blase gezogen wurde.
Noch vor ein paar Jahren hörten wir Geschichten von einem endlosen Boom und einer neuen Ära. Was ging schief?
Amerikas neues Markenzeichen des Kapitalismus funktionierte nicht. Konzernmanager konzentrierten sich darauf, Shareholder Value zu schaffen, indem sie Aktien zurückkauften, Kosten senkten, Fusionen und Akquisitionen durchführten. Diese Strategie half, Aktienpreise in absurde Höhen zu schrauben, jedoch waren die Auswirkungen für die Volkswirtschaft zerstörerisch.
Warum?
Mr. Cook, diese Strategien bauen keine Fabriken. Sie steigern nicht die kommerziellen Einkommen. Im selben Umfang wie sie neue Investitionen verhindern, was sie tun, so reduzieren sie auch die Gewinne.
Können Sie das ausführlicher erläutern?
Steigender Wohlstand und steigende Lebensstandards kommen nicht durch existierende Fabriken, sondern durch neue Fabriken. Es ist nicht Produktivität, welcher Reichtum erzeugt. Es sind allein die Investitionsausgaben, nicht die Verbraucherausgaben, welche wirtschaftlichen Wachstum antreiben. Die bereichernden Wirkungen des freien Unternehmertums sind immer durch den Bau von Fabriken entstanden, nicht durch den Aktienmarkt oder rücksichtslose Konsumenten-Kreditkäufe.
Sie meinen, diese Unternehmen haben ihr Kapital für finanztechnische Zwecke und Spekulation statt zum Bau produktiver Anlagen genutzt?
Absolut richtig. Beispielsweise sind die meisten Gewinne im Hightech-Sektor durch hohe Gewinne am Aktienmarkt entstanden.
Sagen Sie damit, daß die neue Informationstechnologie keine Gewinne macht?
Ja, und es ist pure Ironie, daß die schlechtesten Gewinnzahlen aus dem Hightech-Sektor kamen, für welchen die Wall Street nie dagewesene Wunder der Produktivität und Gewinnsteigerung herumposaunte. Diese schwachen Gewinne haben sich in der Folge in einen Gewinnzusammenbruch verwandelt.
Was ist Ihre Erklärung für das Versagen?
Die Wichtigkeit der Information und Informationstechnologie für Produktion und Wohlstandsbildung wurden lächerlich überschätzt.
Hat nicht Hightech die höchsten Produktivitätsgewinne?
Solcher Produktivitätswachstum ist statistische heiße Luft.
So weit würde ich nicht gehen. Ich weiß, Sie halten hedonistische Preisermittlung für statistischen Unfug.
Wenn sie diese statistische Frisierung sehen, sie läßt uns nachdenken, ob nicht etwa systematische Täuschung hinter diesen Praktiken liegt.
Okay, fahren wir fort. Sie haben die Wirkung von Fusionen, Akquisitionen und Aktienrückkäufen auf Konzernbilanzen der neuen Ära nicht erwähnt.
Konzernmanager haben ihre Bilanzen mit der Rücksichtslosigkeit von Desperados gehebelt, welche kurzfristig viel zu gewinnen und langfristig wenig zu verlieren haben. Sie haben ihre Bilanzen ruiniert, um die zunehmend unbefriedigende Gewinnleistung zu verbergen und auszugleichen.
Klingt übel.
Sie haben teurere Kredite gegen Aktien getauscht. Der Trick war, die Investoren zu täuschen, indem sie die Zahl der Aktien reduzierten.
Ich möchte erwähnen, daß Sie lange vor allen anderen wegen dieser dubiosen Geschäftspraktiken die Alarmsirenen ertönen ließen.
Der plötzliche Ausbruch der Gewinn-Täuschungsmanöver fußte auf dem allgemeinen Wunsch, die katastrophale Gewinnsituation zu verstecken. Das ist als der kritische Punkt zu identifizieren.
Manche würden behaupten, daß es die Aktienpreise anhob?
Bloß für eine gewisse Zeit. Bestenfalls haben sie sich mit Krediten belastet, welche die Gewinne schmälern, schlechtestenfalls haben sie ihre Ehre und ihre Zukunft zerstört.
Was sind die Konsequenzen von so viel aufgenommenen Krediten?
Nachlassende Kreditverfügbarkeit für Konzerne und die Möglichkeit einer Kredit-Krise. Schwer angeschlagene, schwache Bilanzen und schwache Gewinnleistung haben die Kreditwürdigkeit der Konzerne schwer reduziert. Ich kann mir bei dieser heiklen Lage kein gutes Endergebnis vorstellen.
Lassen Sie uns einen Moment über Ersparnisse sprechen. Was sind Ihre Bedenken bei der geringen Sparquote?
Ersparnisse sind die unentbehrliche Bedingung für Wirtschaftswachstum. Ohne Ersparnisse aus dem regelmäßigen Einkommen kann keine Zuname an produktiven Anlagen oder Aktienkapital entstehen.
Wie kommt es, daß Volkswirtschaftler hier kein Problem erkennen können?
Es gibt da eine allgemeine Weigerung, die Wirklichkeit zu betrachten. Die völlige Aufzehrung aller nationalen Ersparnisse ist für die US-Volkwirtschaft die heikelste Lage von allen. Diese sind die Kapitalquelle der Volkswirtschaft.
Was ist aus den Ersparnissen geworden die wir schon hatten?
Sie wurden verschleudert, um Ausgaben zu bezahlen, die der Verbraucher nicht von seinem regelmäßigen Einkommen bezahlen kann. Und Konzerne haben ihre Dividendenzahlungen aus ihren Nettogewinnen finanziert.
Was passiert mit Ländern mit geringen Ersparnissen?
Sie haben geringe Investitionen, geringe Löhne und geringe Gewinne.
Aber die Regierungsvolkswirtschaftler und die Fed sagen, wir müßten das nicht mit Ersparnissen machen, wir könnten es kreditfinanziert machen. Was ist damit?
Ha!, Ich glaube kaum, daß man die Sünde zur Tugend erklären kann. (Bessere Übersetzung für „turn vice into virtue”?)
Warum nicht?
Kredit schafft Kaufkraft aus dem Nichts. Kredit allein kann nicht dauerhaft eine Volkswirtschaft stützen. Die sich heute aufblähende Schuldenlast wird irgendwann zurückgezahlt werden müssen. Ich habe kaum Zweifel, daß eine Schuldenkrise bevorsteht. Wenn die meisten der Schulden für unproduktive Zwecke wie Konsum und Spekulation verwendet werden, muß es letzten Endes in eine Schuldenfalle führen. Die hemmungslose Verschulden ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn.
Ein Großteil davon ist Hypothekenrefinanzierung, nicht wahr?
Man ist geneigt zu sagen, die amerikanische Öffentlichkeit mache ihr Zuhause zu Geld.
Das beunruhigt Sie?
Ich kann nur sagen, daß in Europa niemand, weder der Hausbesitzer noch der Bankier in Erwägung ziehen würde, jemandens Haus als Sicherheit zu nutzen, außer vielleicht im Falle eines Notfalls.
Ich habe noch nie einen amerikanischen Volkswirtschaftler oder Sprecher der Wall Street sich dagegen aussprechen sehen. Tatsächlich ermutigen sie dazu.
Zweifellos. Hypothekenrefinanzierung und Eigenheimbeleihung standen im Epizentrum der Kreditexplosion. Ich muß zugeben, daß ich diese Komponente der amerikanischen Blase grob unterschätzt habe. Ich kann nur sagen, daß es die letzten Zweifel ausgeräumt hat, daß dies die bei weitem größte und schlimmste Kreditblase ist, welche die Welt je gesehen hat.
Aber nur Sie und eine handvoll Kritiker erwähnen das. Die Öffentlichkeit mag es, und jeder im Hypothekengeschäft nickt zustimmend.
Sollen sie es genießen solange sie es noch können. Das US-Finanzsystem von heute hängt in einer gefährlichen Lage. Es ist wie ein Kartenhaus, aus nichts anderem aufgebaut als aus finanziellen Hebeln, Kreditexzessen, Spekulation und Derivaten.
Werden wir abstürzen und crashen?
Ich würde sagen, bereiten Sie sich auf weit schlimmeres vor.
Was ist die wahre Natur dieser Rezession, welche Sie vorhersagen?
Sie wird sich als ungewöhnlich schwer und tief erweisen.
Warum?
Der Schlüssel zur Ergründung der Schwere der kommenden Krise liegt in der Schätzung der Verletzlichkeit einer Volkswirtschaft und ihrem Finanzsystem, welche seit Jahren der rücksichtslosesten Finanzexpansion und Spekulation in der Geschichte ausgesetzt war.
Das ist die Österreichische Theorie vom Wirtschaftskreislauf, richtig?
Ja, die Länge und Schwere von Rezessionen oder Depressionen hängt kritisch von der Größe der Beeinträchtigung und Unausgeglichenheit ab, die sich in der Volkswirtschaft während des vorhergehenden Booms aufgestaut hat.
Und darum sagen Sie konsequent voraus, daß der US-Volkswirtschaft eine harte Landung bevorsteht?
Ja. Lassen Sie mich es zusammenfassen. Die US-Wirtschaft der 90er rangiert als die schlimmste Blasenwirtschaft der Geschichte. Der Boom wurde auf nichts anderem als Hebeln über Hebeln errichtet. Eine schwindende Versorgung von Binnenersparnissen wurde durch grenzenlose Kreditschöpfung zur Hebelung von Immobilienanlagen mehr als subventioniert.
Und die Fed ist schuld?
Es ist sehr wichtig zu erkennen, daß die Federal Reserve jegliche Kontrolle des Geldes und der Kreditschöpfung aufgegeben hat. Die Macht der amerikanischen Kreditmaschinerie, Kredite aus dem Blauen heraus zu schöpfen ist einzigartig und nie dagewesen.
Nun, manche würden sagen, es hätte die Wirtschaft gerettet.
Diese exzessive monetäre Schlaffheit hat nur die unausweichliche Krise verschoben und verschlimmert.
Lassen Sie uns über den Dollar sprechen. Sie haben gesagt, daß er schwächer werden wird, und zu einem gewissen Grad ist er das schon. Wird noch mehr Schwäche eintreten?
Wir schätzen es als unentrinnbares Ereignis ein. Wachsende Desillusionierung mit der US-Volkswirtschaft werden der Auslöser sein.
Aber mag die Welt nicht einen starken Dollar?
Es gefiel dem Rest der Welt, weil es ihre Exporte ankurbelte, und es gefiel den USA da es ihre Finanzmärkte ankurbelte. Aber tatsächlich waren die gewaltigen Kapitalflüsse in die Staaten die einzige und wichtigste Säule der US-Finanzmärkte geworden. Nehmen sie diese Säule weg, und diese Märkte werden augenblicklich kollabieren, was verwüstende Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben wird, was sich schnell in einen wilden Kreditcrash verwandeln wird.
So schnell könnte das gehen?
Tatsache ist, daß die Aussetzung der US-Finanzmärkte gegenüber ausländischen Investoren und Kreditgebern über die letzten Jahre in solch einer grotesken Größenordnung zugenommen hat, daß eine kontrollierte, allmähliche Dollarentwertung nicht länger machbar erscheint. Unter den heutigen extremen Bedingungen gibt es nur die Alternativen starker oder kollabierender Dollar.
Gibt es eine Medizin dagegen?
Um das schlimmste zu vermeiden könnte die Fed gezwungen sein, die Zinssätze drastisch anzuheben.
Oh mein Gott!
Die Gefahren, die an der Währungsfront lauern, sind immens. Das schwerstens ausgehebelte US-Finanzsystem ist feindlich gegenüber einem starken Dollar und großen Kapitalzuflüssen. Das US-Handelsdefizit und die angestaute Verschuldung im Ausland haben ein Ausmaß erreicht, welche sich jeder möglichen Handlung durch Zentralbanken widersetzen. Das Schicksal des Dollars ist bar jeder Kontrolle.
Vielen Dank.
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