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Ein Ex-KGB-Agent sagt, dass Trump seit 1987 ein russischer Aktivposten war. Aber spielt das eine Rolle?

Im Jahr 2018 wurde ich entweder berühmt oder — je nach Stand­punkt — berüch­tigt, weil ich einen Artikel schrieb, in welchem ich speku­lierte, daß Rußland heimliche Druck­mittel gegen Trump hatte (was sich als richtig heraus­stellte). Die umstrit­tenste Behaup­tung des Artikels war, daß es plausibel, wenn auch nicht gewiß, sei, daß Rußlands Einfluß auf Trump sogar bis ins Jahr 1987 zurück­rei­chen könnte. […]
In seinem neuen Buch, „American Komprimat,” befragte Unger Yuri Shvets, der ihm sagte, daß der KGB Trump mit einfachen Schmei­che­leien mani­pu­lierte. „In Bezug auf seine Persön­lich­keit ist der Typ nicht gerade besonders ausge­kocht”, sagte er, „seine wich­tigsten Eigen­schaften sind ein geringer Intellekt gepaart mit einer über­stei­gerten Eitelkeit. Das macht ihn zu einem Traum für einen erfah­renen Anwerber.”

Unaut­ho­ri­sierte Ueber­set­zung des Artikels von Jonathan Chait im Intel­li­gencer, 20.2.2021

Im Jahr 2018 wurde ich entweder berühmt oder — je nach Stand­punkt — berüch­tigt, weil ich einen Artikel schrieb, in welchem ich speku­lierte, daß Rußland heimliche Druck­mittel gegen Trump hatte (was sich als richtig heraus­stellte). Die umstrit­tenste Behaup­tung des Artikels war, daß es plausibel, wenn auch nicht gewiß, sei, daß Rußlands Einfluß auf Trump sogar bis ins Jahr 1987 zurück­rei­chen könnte.

Hier ist, was ich in diesem kontro­versen Abschnitt schrieb:

Während der Sowjet­zeit warf der russische Geheim­dienst ein weites Netz aus, um Einfluß auf einfluß­reiche Persön­lich­keiten im Ausland zu nehmen. (Die Praxis dauert bis heute an.) Die Russen lockten oder fingen nicht nur promi­nente Politiker und Kultur­schaf­fende ein, sondern auch Leute, von denen sie annahmen, daß sie das Potential hatten, in der Zukunft an Bedeutung zu gewinnen. 1986 traf der sowje­ti­sche Botschafter Yuri Dubinin Trump in New York, schmei­chelte ihm mit Kompli­menten über seine Bautä­tig­keit und lud ihn ein, über ein Gebäude in Moskau zu sprechen. Trump besuchte Moskau im Juli 1987. Er über­nach­tete im National Hotel, in der Lenin-Suite, die sicher­lich verwanzt war. Es gibt in den öffent­li­chen Aufzeich­nungen nicht viel mehr über seinen Besuch, außer der eigenen Erin­ne­rung von Trump in The Art of the Deal, daß sowje­ti­sche Beamte darauf erpicht waren, daß er dort ein Hotel bauen sollte. (Es ist nie passiert.)

Trump kehrte aus Moskau zurück, befeuert von poli­ti­schen Ambi­tionen. Er begann den ersten einer langen Reihe von Flirts mit der Präsi­dent­schafts­kan­di­datur, zu denen auch eine auffäl­lige Reise nach New Hampshire gehörte. Zwei Monate nach seinem Moskau-Besuch gab Trump fast 100.000 Dollar für eine Reihe ganz­sei­tiger Zeitungs­an­zeigen aus, die ein poli­ti­sches Manifest veröf­fent­lichten. „Ein offener Brief von Donald J. Trump darüber, warum Amerika aufhören sollte, für die Vertei­di­gung von Ländern zu zahlen, die es sich selbst leisten können, sich zu vertei­digen”, wie Trump es betitelte, erhob wütende popu­lis­ti­sche Vorwürfe gegen die Verbün­deten, die vom Schutz­schirm des ameri­ka­ni­schen Militärs profi­tierten. „Warum bezahlen diese Nationen die Verei­nigten Staaten nicht für die Menschen­leben und Milli­arden von Dollar, die wir verlieren, um ihre Inter­essen zu schützen?”

Ich räumte ein, daß es wahr­schein­lich nur ein Zufall war, daß Trump von seiner Reise nach Rußland zurückkam und anfing, Themen auszu­spre­chen, die zufällig eng mit dem geopo­li­ti­schen Ziel Rußlands, die Verei­nigten Staaten von ihren Verbün­deten zu spalten, zusam­men­paßten. Aber es gab eine begrün­dete Chance — ich schätzte sie locker auf 10 oder 20 Prozent — daß die Sowjets einige dieser Gedanken, die er vor der Reise nie geäußert hatte, in seinen Kopf gepflanzt hatten.

Wenn ich heute raten müßte, würde ich die Wahr­schein­lich­keit höher einschätzen, viel­leicht auf über 50 Prozent. Ein Grund für meine höhere Einschät­zung ist, daß Trump das Mißtrauen weiter geschürt hat, indem er auffällig pro-russische Posi­tionen einge­nommen hat. Er traf sich mit Putin in Helsinki, wobei er seltsam unter­würfig wirkte, und gab Putins Propa­ganda zu einer Reihe von Themen wieder, darunter die lächer­liche Vorstel­lung einer gemein­samen russisch-ameri­ka­ni­schen Cyber­si­cher­heits­ein­heit. (Natürlich hat Rußland vor nicht allzu langer Zeit den schwersten Cyber-Hack in der ameri­ka­ni­schen Geschichte begangen, was Trumps Idee im Nach­hinein noch selbst­zer­stö­re­ri­scher macht, als sie es damals war). Er schien alles daran zu setzen, ameri­ka­ni­sche Verbün­dete zu entfremden und die Zusam­men­ar­beit bei jedem Treffen während seiner Amtszeit zu sabotieren.

Entweder weigerte er sich, russi­sches Fehl­ver­halten zuzugeben — Trump weigerte sich sogar zuzugeben, daß das Regime Alexej Nawalny vergiftet hatte — oder er wieder­holte bizarre Schnipsel russi­scher Propa­ganda: Die NATO sei ein schlechtes Geschäft für Amerika, weil Monte­negro einen Angriff auf Rußland starten könnte; die Sowjets hätten in den 1970er Jahren in Afgha­ni­stan einmar­schieren müssen, um sich gegen den Terro­rismus zu vertei­digen. Das waren keine Argumente, die er in seinem üblichen Tages­ab­lauf, bei dem er Fox News schaut und repu­bli­ka­ni­sche Spei­chel­le­cker anruft, aufschnappen würde.

Ein weiterer Grund ist, daß der Reporter Craig Unger einen ehema­ligen KGB-Spion dazu brachte, offiziell zu bestä­tigen, daß der russische Geheim­dienst seit Jahr­zehnten mit Trump zusam­men­ar­beitet. In seinem neuen Buch, „American Komprimat,” befragte Unger Yuri Shvets, der ihm sagte, daß der KGB Trump mit einfachen Schmei­che­leien mani­pu­lierte. „In Bezug auf seine Persön­lich­keit ist der Typ nicht gerade besonders ausge­kocht”, sagte er, „seine wich­tigsten Eigen­schaften sind ein geringer Intellekt gepaart mit einer über­stei­gerten Eitelkeit. Das macht ihn zu einem Traum für einen erfah­renen Anwerber.”

Das ist ganz ähnlich zu dem, was ich in meinem Artikel vermutet habe:

Der russische Geheim­dienst gewinnt Einfluß in fremden Ländern, indem er subtil und geduldig operiert. Er übt verschie­dene Abstu­fungen von Druck­mit­teln auf verschie­dene Arten von Menschen aus und verwendet ein grund­le­gendes Werk­zeugset der Erpres­sung, das die Ausnut­zung von Gier, Dummheit, Ego und sexuellem Appetit beinhaltet. All das sind Eigen­schaften, die Trump im Überfluß hat.

Das ist genau das, was Geheim­dienst­ex­perten meinen, wenn sie Trump als einen russi­schen „Aktiv­posten” beschreiben. Das ist nicht dasselbe wie ein Agent zu sein. Ein Aktiv­posten ist jemand, der mani­pu­liert werden kann, im Gegensatz zu jemandem, der bewußt und heimlich in Ihrem Auftrag arbeitet.

Shvets erzählte Unger, daß der KGB Trump als ameri­ka­ni­schen Anführer kulti­vierte und ihn über­re­dete, seine Anzeige zu schalten, in welcher er ameri­ka­ni­sche Allianzen angriff. „Die Anzeige wurde vom Direk­torat für aktive Maßnahmen als eine der erfolg­reichsten KGB-Opera­tionen seiner Zeit bewertet,” sagte er, „Es war ein Riesen­ding — drei große ameri­ka­ni­sche Zeitungen veröf­fent­li­chen KGB-Soundbites.”

Um es deutlich zu sagen, obwohl Shvets eine glaub­wür­dige Quelle ist, ist sein Zeugnis nicht maßgebend. Es gibt viele mögliche Motive für einen ehema­ligen sowje­ti­schen Spion, der zum Kritiker des russi­schen Regimes wurde, eine Anklage gegen Trump zu erheben. Aber die Geschichte, die er erzählt, ist fast genau die Wahr­schein­lich­keit, die ich umrissen habe. Und sie paßt ziemlich genau zu den bekannten Fakten wie der russische Geheim­dienst arbeitet und was Trump getan hat.

Eine Sache, über welche ich meine Meinung geändert habe, seit mein Artikel erschien, ist der Effekt, welchen dies auf die ameri­ka­ni­sche Öffent­lich­keit haben würde, selbst wenn es bestätigt würde.

Es gibt einen Reiz des Geheim­nis­vollen, der bestimmten unbe­kannten Fakten eine übergroße Bedeutung verleiht. Die Aufde­ckung der geheimen Identität von „Deep Throat” wurde als einer der größten Preise des Jour­na­lismus angesehen, bis der stell­ver­tre­tende FBI-Direktor Mark Felt zugab, daß er es war, woraufhin sich kaum jemand dafür inter­es­sierte. Wäre die Leiche von Jimmy Hoffa kurz nach seinem Verschwinden aufge­taucht, wäre ihr Aufent­haltsort fast sofort vergessen worden, anstatt Gegen­stand jahr­zehn­te­langer Speku­la­tionen und Unter­su­chungen zu werden.

Die Art und die Ursprünge von Donald Trumps Beziehung zu Rußland fallen wahr­schein­lich in diese Kategorie. Die ganze Geschichte wird wahr­schein­lich nie mit Sicher­heit aufge­klärt werden. Es wurde vermutet, daß Robert Mueller ihr nachgeht, aber er hat sich von der Spio­na­ge­ab­wehr fern­ge­halten, um sich mehr auf straf­recht­liche Verstöße zu konzen­trieren; der Geheim­dienst­aus­schuß des Senats hat verlo­ckende Beweise für geheime Abspra­chen im Wahlkampf 2016 vorgelegt, hatte aber keinen Zugang zu Trumps innerem Kreis. Theo­re­tisch könnten die Trump-Mitar­beiter, die geschwiegen haben, Paul Manafort und Roger Stone, oder ihre russi­schen Kontakte, wie Manaforts Partner Konstantin Kilimnik, schließ­lich eine Art Geständnis auf dem Ster­be­bett liefern, aber selbst das würde durch den grund­sätz­li­chen Mangel an Glaub­wür­dig­keit der Quelle nicht beweis­kräftig sein.

Wenn sich die düsterste plausible Geschichte als wahr heraus­stellen würde, was würde es dann ausmachen? Wahr­schein­lich wenig. Verstehen Sie mich nicht falsch: Daß Rußland geheime Kanäle hat, um Einfluß auf einen ameri­ka­ni­schen Präsi­denten zu nehmen, ist keines­wegs gut. Ich bin nur zu der Ansicht gelangt, daß selbst wenn wir das Schlimmste hätten bestä­tigen können, bis zu dem Punkt, daß selbst Trumps Unter­stützer es nicht mehr leugnen könnten, würde es nicht sehr viel ändern. Trump würde nicht zum Rücktritt gezwungen worden sein, und seine repu­bli­ka­ni­schen Unter­stützer müßten sich nicht von ihm distan­zieren. Die Kontro­verse wäre einfach in der riesigen Land­schaft der partei­po­li­ti­schen Gesprächs­themen unter­ge­gangen — eine weitere Sache, über welche die Liberalen Trump verspotten, und die Konser­va­tiven beschweren sich über die Medien, weil sie darüber berichten, anstatt über Nancy Pelosis Gefrier­schrank oder die Antifa oder den neuesten Skandal auf dem Campus.

Ich denke das auch deshalb, weil sehr viele belas­tende Infor­ma­tionen bestätigt wurden und sich dadurch faktisch wenig geändert hat. Im Jahr 2018 berich­tete Buzzfeed über brisante Details einer russi­schen Kompromat-Operation, und im darauf­fol­genden Jahr bestä­tigte es Robert Mueller. Während des Wahl­kampfs hatte Rußland mit einem Moskauer Gebäu­de­deal gewedelt, der Trump ohne Risiko Hunderte von Millionen Dollar Gewinn einbringen würde. Nicht nur, daß er bereit war, diesen Geldsegen zu erlangen, er log zu dieser Zeit auch öffent­lich über seine Geschäfte mit Rußland, was Wladimir Putin zusätz­li­chen Einfluß auf ihn gab. (Rußland konnte Trumps Lügen jederzeit aufdecken, wenn er etwas tat, was Moskau mißfiel.)

Mueller sagte sogar aus, daß dieses Arran­ge­ment Rußland ein erpres­se­ri­sches Druck­mittel gegen Trump gab. Aber zu dem Zeitpunkt, als diese Fakten aus dem Reich der Vermu­tungen in das Reich der bestä­tigten Tatsachen über­ge­gangen waren, waren sie unin­ter­es­sant geworden.

Wir wissen nicht, welche anderen Einfluß­quellen Rußland hatte, oder wie weit zurück es ging. Letzt­end­lich wurde jeder Wert, den Trump für Rußland bot, durch seine Inkom­pe­tenz und seine begrenzte Fähigkeit, selbst die Außen­po­litik seiner eigenen Regierung fest im Griff zu haben, beein­träch­tigt. Es war nicht nur der sagen­um­wo­bene „tiefe Staat”, der Trump unter­mi­nierte. Sogar seine eigenen hand­ver­le­senen Amts­in­haber unter­mi­nierten ihn ständig, insbe­son­dere in Bezug auf Rußland. Welchen Einfluß Putin auch immer hatte, war auf eine einzige Person beschränkt, was bedeutete, daß Trump niemanden finden konnte, der das Außen­mi­nis­te­rium, die Nationale Sicher­heits­be­hörde und so weiter leitete, der seine idio­syn­kra­ti­sche Russo­philie teilte.

Die Wahrheit, so vermute ich, war gleich­zeitig ungefähr so schlimm, wie ich vermutet hatte, und para­do­xer­weise gleich­zeitig enttäu­schend. Trump war von allen möglichen wider­li­chen Charak­teren umgeben, die ihn mani­pu­lierten, Dinge zu sagen und zu tun, die dem natio­nalen Interesse zuwi­der­liefen. Einer dieser Charak­tere war Putin. Am Ende stieß ihr Einfluß an die Grenzen, daß die Figur, über die sie Einfluß gewonnen hatten, ein schwacher, geschei­terter Präsident war.

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