Ein Vortrag von Hans-Joachim von Leesen, gefunden auf http://www.paukenschlag.org
Vor einigen Jahren besuchte ich die Seelower Höhen, jenes Gebiet etwa 60 km östlich von Berlin, in dem die deutschen Truppen im April 1945 den endgültigen und entscheidenden Durchbruch der Roten Armee zur Reichshauptstadt verhindern oder zumindest aufhalten wollten.
Dieses Gebiet, das sich 40 m über dem Urstromtal der Oder erhebt, wurde von den zusammengerafften Resten zerschlagener Einheiten des Heeres und der Waffen-SS, der Luftwaffe, der Marine und des Reichsarbeitsdienstes verteidigt.
Mit ihnen zusammen hatten sich Volkssturmeinheiten, Panzerjagdbrigaden der Hitler-Jugend, niederländische, wallonische, flämische, lettische, norwegische und dänische Waffen-SS-Soldaten noch einmal eingegraben in der Hoffnung, die vielfach überlegene Sowjetarmee daran zu hindern, den kriegsentscheidenden Stoß auf die deutsche Hauptstadt zu führen.
Natürlich wussten sie alle, dass der Krieg für Deutschland nicht mehr zu gewinnen war. Trotzdem übertrafen der Kampfeswille und die Widerstandsfähigkeit der deutschen Soldaten bei weitem das von den sowjetischen Angreifern erwartete Maß. Während die Rote Armee geplant hatte, am Abend des 1. Angriffstages, das war der 16. April, die deutschen Verteidigungslinien durchbrachen zu haben, mussten sie vier Tage lang erbittert kämpfen, bis der Durchbruch gelungen war und Berlin nahezu wehrlos vor Stalins Truppen lag.
In der sowjetischen militärischen Literatur kann man lesen, mit welchem Mut die Verteidiger kämpften. Marschall Tschuikow, Befehlshaber der 8. Gardearmee, schildert, wie vor allem die Panzerjagdbrigaden der Hitler-Jugend immer wieder die durchzubrechen drohenden Sowjettruppen angriffen, wie sie Panzer abschossen, sich mit der Infanterie schlugen, bis die Übermacht sie überrollt hatte. Marschall Konjew, Oberbefehlshaber der 1. ukrainischen Front, schrieb in seinen Memoiren in dem Kapitel „Das Jahr 1945“ wörtlich:
„Wie eh und je schlug sich der deutsche Soldat tapfer und zeichnete sich vor allem in der Verteidigung durch geradezu fanatische Standhaftigkeit aus.“
Hier, auf den Seelower Höhen, dem größten Schlachtfeld des Zweiten Weltkrieges auf deutschem Boden, wurde mir so deutlich wie nie zuvor, wie zweifelhaft es ist, das Ende des Zweiten Weltkrieges als die „Befreiung“ zu bezeichnen. Wenn es eine Befreiung gewesen wäre, dann kann ich mir nicht erklären, dass diejenigen, die „befreit“ werden sollten und die darüber doch eigentlich hätten froh sein müssen, sich mit solcher Verbissenheit gegen die angeblichen „Befreier“ wehrten.
In seinem 1982 erschienenen Buch „Kampfkraft“, in dem er im Auftrage der damaligen US-Regierung die Kampfkraft der deutschen Wehrmacht mit der der US-Armee im Zweiten Weltkrieg vergleicht, schreibt der israelische Militärhistoriker Martin van Crefeld:
„Die Wehrmacht kämpfte noch Jahre, nachdem alle Hoffnung auf Sieg vergangen war. Selbst im April 1945, so eine nachrichtendienstliche Übersicht des SHAEF (Supreme Haedquaters Allied Expeditionary Force), kämpften ihre Truppenteile weiter, wo immer die örtliche taktische Lage überhaupt noch erträglich war. Zu dieser Zeit hatte sie schon 2 Millionen Soldaten durch den Tod und mehr als 1 Million durch Gefangenschaft verloren, Soldaten, die für immer in sowjetischen Gefangenenlagern verschwinden sollten. Trotzdem bestanden ihre Einheiten, auch wenn sie nur noch 20 Mann aufwiesen, weiter und leisteten Widerstand, eine unvergleichliche Leistung für jede Armee.“ (S. 7)
Angesichts dieser überhaupt nicht zu leugnenden Tatsachen ist es einfach billig, wie es heute überwiegend geschieht, zu behaupten, jene Soldaten, ob es nun der erfahrene alte Obergefreite, ein Regimentskommandeur oder der freiwillig kämpfende Hitlerjunge war, sie alle seien lediglich „verführt“ worden; ihr Kampf und ihr Opfer seien sinnlos gewesen. Wer so argumentiert, macht sich die Sache zu leicht. Jeder Soldat an der Front wusste, was die Deutschen zu erwarten hatten, wenn sie in die Hand der sowjetischen Truppen geraten. Ende 1944 hieß es in einem Aufruf Stalins an seine Truppen: „Die Rote Armee ist angetreten, um der deutschen Bestie des Todesstoß zu versetzen. Mit glühendem Hass im Herzen betreten wir das Land des Feindes. Wir kommen als Richter und Rächer. Der Feind muss ohne Gnade vernichtet werden!“ Und so aufgehetzt, verhielten sich denn auch seine Soldaten.
Es war keine „Nazi-Propaganda“, wie man heute lügt, dass der Vormarsch der Roten Armee von Millionen vergewaltigter Frauen und Mädchen und von anderen Gräueltaten ohne Zahl gesäumt war. Hier geschah in Europa etwas, was es seit Dschingis Khan nicht mehr gegeben hatte. Für die nach Westen fliehenden Zivilisten sollte Zeit gewonnen werden, damit sie sich möglichst vor den „Befreiern“ in Sicherheit bringen konnten. Aber es gab auch übergeordnete politische Überlegungen, die, wie die Zeit bald nach dem Krieg bewies, nicht unrealistisch waren. Ein ehemaliger Regimentskommandeur, Hans-Georg Kimmich, versuchte nach dem Krieg die Frage nach dem Sinn des Widerstandes zu beantworten. Er kam zusammenfassend zu dem Schluss:
„Der Zweck der Verteidigung war, den feindlichen Vormarsch zu verzögern und damit die Möglichkeiten für politische Maßnahmen und technische Einsatzmittel so lange wie möglich zu halten.“
Der letzte Kommandeur der 9. Armee, General der Infanterie Theodor Busse, drückte das bei der letzten Zusammenkunft seiner Offiziere am Vorabend des sowjetischen Angriffs an den Seelower Höhen so aus: „Wir kämpfen, bis uns die Panzer der Amerikaner auf die Hacken fahren.“
Das heißt, die deutsche politische wie die militärische Führung waren der Ansicht, dass die Interessen der Sowjetunion und die der Westmächte so unterschiedlich waren, dass zwischen ihnen die Gegensätze über kurz oder lang offen ausbrechen müssten. Wie wirklichkeitsnah solche Überlegungen waren, erlebte man nicht einmal zwei Jahre nach Kriegsschluss, als der „kalte Krieg“ zwischen Ost und West tatsächlich ausbrach.
Aber der soll nicht das Thema dieser Überlegungen sein. Wir wollen untersuchen, ob die Voraussetzungen gegeben waren für eine „Befreiung“ der Deutschen durch den marxistisch-leninistischen Kommunismus in Verbindung mit dem US-amerikanischen Kapitalismus.
Die historischen Dokumente beweisen eindeutig, dass das deutsche Volk, und hier nicht nur die nationalsozialistische Führung, sich verbissen gegen die gegnerischen Truppen wehrte. Das sollte Zweifel daran nähren, die seit etwa zehn Jahren auch im Westen verbreitete Parole ernst zu nehmen, die Niederlage sei eine „Befreiung“ gewesen. Lassen wir einmal außer acht, dass bis etwa 1995 in der Bundesrepublik kaum jemand den 8. Mai 1945 als Befreiung einordnete. Das war allein der kommunistischen DDR vorbehalten, die Jahrzehnte lang nichts war als der verlängerte Arm der Sowjetunion. Als aufgrund der entschiedenen Haltung Bundeskanzler Adenauers 1955 die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion heimkehrten, prägte er den Begriff „Geduld ist die stärkste Waffe der Besiegten“ und sagte nicht etwa „der Befreiten“. Wer westdeutsche Zeitungen jener Zeit aufschlägt, findet um den 8. Mai herum nur Berichte wie etwa in der WELT vom 9. Mai 1970, in der man unter der Überschrift „Unterschiedliche Akzente in den Reden zum Tag der Kapitulation“ darüber liest, dass „Bundeskanzler Willy Brandt und Sprecher aller Fraktionen des Bundestages“ sich „zur 25. Wiederkehr des Jahrestages der deutschen Kapitulation“ geäußert haben – ohne auch nur ein einziges Mal von einer „Befreiung“ zu reden. Das hingegen taten SED und Vertreter der UdSSR, wie man auf derselben WELT-Seite lesen kann, die zu Ehren der gefallenen Rotarmisten am „Tag der Befreiung“ Kränze an deren Gräbern niederlegten. Erst vom 40. Jahrestag an wurde auch im westlichen Teil Deutschlands die Version der Deutschen Demokratischen Republik offiziell übernommen, wie so manches aus der kommunistischen Gedankenwelt der DDR.
Zu einer Befreiung gehören immer zwei: Der eine, der befreit werden möchte, – und der andere, der die Absicht hat, zu befreien.
Wollten die Deutschen befreit werden? Wollten die Sowjets und die US-Amerikaner die Deutschen befreien? Um die Antwort darauf zu finden, braucht man sich nur an die historischen offen zu Tage liegenden Tatsachen zu halten.
Winston Churchill spricht in seinen berühmten Erinnerungen davon, dass Großbritannien einen „Dreißigjährigen Krieg“ gegen Deutschland geführt habe, also einen Krieg, der 1914 begann. Als zum 40. Jahrestag der deutschen Niederlage auch der damalige britische Premierminister John Major im Berliner Schauspielhaus auf einer Festveranstaltung sprach, da sagte er zum Beginn seiner Rede, und ich gebe es aus gutem Grund zunächst in der Originalfassung auf Englisch wieder:
„Fifty years ago Europe saw the end of the 30 Years War, 1914 to 1945.“
Auf Deutsch: „Vor 50 Jahren sah Europa das Ende des Dreißigjährigen Krieges, der von 1914 bis 1945 dauerte.“
Am Rande erwähne ich, dass diese Version uns Deutschen von unserer eigenen Regierung vorenthalten wurde, denn in der amtlichen deutschen Übersetzung, die im „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung“ nachzulesen war, ist der Satz verfälscht worden. Danach soll der britische Premierminister gesagt haben (in der Übersetzung) : „Vor 50 Jahren erlebte Europa das Ende der dreißig Jahre, die nicht einen, sondern zwei Weltkriege beinhaltet hatten.“ Aber genau das hat er nicht gesagt, sondern er hatte beide Kriege zusammengezogen. Das ist von erheblicher Bedeutung in der Sinngebung, denn 1914 hatte ja nun gewiss kein Engländer die Absicht, die Deutschen vom „Faschismus“ bzw. je nach Belieben auch: von den „Nazis“ zu befreien. Dass es gegen das zu mächtig gewordene deutsche Volk ging, darin sind sich auch die Engländer einig, wie man es etwa auch am 17.9. 989 in der liberalen britischen Sonntagszeitung „Sunday Correspondent“ lesen konnte. Dort hieß es in einem Kommentar:
„Wir sind 1939 nicht in den Krieg eingetreten, um Deutschland vor Hitler oder die Juden vor Auschwitz oder den Kontinent vor dem Faschismus zu retten. Wie 1914 sind wir für den nicht weniger edlen Grund in den Krieg eingetreten, dass wir eine deutsche Vorherrschaft in Europa nicht akzeptieren konnten.“
Wer meint, das sei lediglich die Meinungsäußerung eines Journalisten, der möge zur Kenntnis nehmen, was der spätere britische Premierminister, Winston Churchill z. B. im März 1936 im Auswärtigen Ausschuss der konservativen Parlamentsfraktion vortrug:
„Vierhundert Jahre lang war es die Außenpolitik Englands, der stärksten, aggressivsten und dominierenden Macht auf dem Kontinent entgegenzutreten Diese vier Jahrhunderte lang gleichbleibenden Zwecke inmitten so vieler Wechsel der Namen und Tatsachen, Umstände und Bedingungen müssen unter die bemerkenswertesten Episoden gerechnet werden, welche die Geschichtsbücher irgend einer Rasse, Nation, eines Staates oder Volkes zeigen. Die Frage ist nicht, ob es Spanien oder die französische Monarchie oder das französische Kaiserreich oder das deutsche Kaiserreich oder das Regime Hitlers ist. Es hat nichts mit Herrschern oder Nationen zu tun. Es geht nur darum, wer der Stärkere ist.“
Und als Großbritannien am 3. September 1939 Deutschland den Krieg erklärte, bekräftigte Winston Churchill seine Einstellung mit den Worten:
„Dieser Krieg ist ein englischer Krieg, und sein Ziel ist die Vernichtung Deutschlands.“
Warum es wirklich ging, das sprach auch der kluge amerikanische Politologe, Historiker und Politiker Henry Kissinger aus in einem Beitrag in der „Welt am Sonntag“ am 23. Oktober 1994. Er sagte:
„Letztlich wurden zwei Weltkriege geführt, um eine dominante Rolle Deutschlands zu verhindern“,
also eine Mitteleuropa beherrschende Rolle unseres Landes.
Es war keineswegs das vorherrschende Kriegsziel unserer Gegner, Hitler und den Nationalsozialismus auszurotten, sondern es ging ihnen darum, einen Konkurrenten um die Macht in Europa auszuschalten, nämlich Deutschland. Das sprach der langjährige Präsident des Deutschen Bundestages, Dr. Eugen Gerstenmaier, aus, der zur antinationalsozialistischen Opposition in Deutschland, zu den Widerstandskreisen gehörte, die schließlich am 20. Juli 1944 versuchten, durch einen Sprengstoffanschlag das deutsche Staatsoberhaupt auszuschalten. In der Ausgabe vom 21. März 1975 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung konnte man Gerstenmaiers Aussage lesen:
„Was wir im deutschen Widerstand während des ganzen Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: dass dieser Krieg schließlich eben nicht nur gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde.“
Erster und Zweiter Weltkrieg hängen also zusammen, und im Ersten gab es ja nun wirklich keinerlei Grund, die Deutschen vom Faschismus zu befreien. Das Kaiserreich als konstitutionelle Monarchie war, mit den Augen eines Demokraten betrachtet, sogar in wichtigen Wesenszügen fortschrittlicher als zum Beispiel Großbritannien, gab es doch in Deutschland ein allgemeines, freies, gleiches und geheimes Wahlrecht zum Reichstag unabhängig von der Vermögenslage der Wähler. Und wenn dieses Wahlrecht auch nur für Männer galt, so war es doch in der westlichen Welt, von der östlichen ganz zu schweigen, ohne jedes Beispiel.
Zwar versuchte schon vor 1914, dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die psychologische Kriegführung vor allem Großbritanniens der Welt weiszumachen, man müsse den Krieg gegen Deutschland führen, um die Herrschaft der „Junker“ zu beseitigen, zwar stellte man auch damals schon die Spitze des Deutschen Reiches, den Kaiser, als einen blutsaufenden Tyrannen dar, doch werden solche Propagandaphrasen heute von niemanden mehr ernst genommen. Wie verbohrt man sich auf angloamerikanischer Seite bemühte, als die „Guten“ zu erscheinen, die gegen die „Bösen“, die Deutschen, kämpfen mussten, zeigt der Wortlaut des Gebetes, das der amerikanische Kongress gemeinsam am 10. Januar 1918 sprach (und das an die deutsche Öffentlichkeit gebracht zu haben das Verdienst des Historikers Dr. Franz Uhle-Wettler ist). Die Abgeordneten beteten also:
„Allmächtiger Gott, unser himmlischer Vater …. Du weißt, oh Herr, dass wir in einem Kampf auf Leben und Tod stehen gegen eine der schändlichsten, gemeinsten, gierigsten, blutdürstigsten, sinnlichsten, habsüchtigsten und sündhaftesten Nationen, die jemals die Geschichtsbücher geschändet haben. Du weißt, dass Deutschland aus den Augen der Menschheit genügend Tränen gepresst hast, um einen neuen Ozean zu füllen, dass es genügend Blut vergossen hat, um jede Woge aus diesem Ozean zu röten, dass es aus den Herzen von Männern und Frauen und Kindern genug Schreie und Stöhnen gepresst hat, um daraus ein Gebirge aufzutürmen …. Wir bitten Dich, entblöße Deinen mächtigen Arm und schlage das graue Pack dieser hungrigen wölfischen Hunnen zurück, von deren Fängen Blut und Schleim tropfen. Wir bitten Dich, lass die Sterne auf ihren Bahnen und die Winde und Wogen gegen sie kämpfen. Und Dich preisen wir immerdar – durch Jesus Christus. Amen.“
Man bedenke, dass damit nicht die „Nazis“ verflucht wurden! Das Gebet wurde vom US ‑Kongress 9 Monate nach Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg gesprochen, als Hitler noch als Gefreiter im Reserve-Infanterieregiment Nr.16 („List“) der königlich bayerischen Armee unter dem deutschen Kaiser als oberstem Kriegsherren diente.
Nein, das alles ist Propagandagetöse, das wir aus der Rückschau nicht mehr ernst nehmen. Tatsächlich wollte man den Konkurrenten, das Deutsche Reich, ausschalten, gleichgültig, wer in Deutschland regierte. Großbritannien wollte auch auf dem europäischen Festland die herrschende Macht bleiben. Und wie Henry Kissinger nüchtern und realistisch aufgrund seiner Kenntnis der europäischen Geschichte klar ausdrückte, sollte auch im Zweiten Weltkrieg verhindert werden, dass Deutschland eine seiner Größe und Bedeutung entsprechende führende Rolle auf dem europäischen Festland spielte.
Und mehr als das Ziel der Zerschlagung Deutschlands hatten die westlichen Alliierten tatsächlich nicht, gleichgültig ob es sich um die USA, Großbritannien oder gar Frankreich handelte, das im Schlepptau Großbritanniens in den Krieg hineingezogen worden war. Durch die psychologische Kriegführung, die sich sowohl an die eigene Bevölkerung und an die eigenen Soldaten, als auch an die neutrale Welt richtete, waren die Siegermächte mit einem solchen Hass gegen alles Deutsche aufgeladen worden, dass in der Endphase des Krieges und in den ersten Monaten danach sowohl die führenden Persönlichkeiten als auch jeder einzelne Soldat der Siegermächte nur die Zerstörung Deutschlands und seines Potenzials, sei es das militärische, sei es das wirtschaftliche und wissenschaftliche, im Sinne hatte. In Bremerhaven wurde 1945 ein riesiges Hinweisschild am Hafen errichtet, dort nämlich, wo die amerikanischen Truppen landeten, auf dem stand:
„Here ends the civilized world. You are now entering Germany. There will be no fraternazition with any German.“ (Auf Deutsch: Hier endet die zivilisierte Welt. Ihr betretet jetzt Deutschland. Es gibt keine Verbrüderung mit irgendeinem Deutschen.)
In einem Merkblatt aus dem Jahre 1945, das sich an deutsche Gefangene in Westalliiertem Gewahrsam wandte, kann man lesen:
„Ihr seid alle mitschuldig an dem, was geschah. Ihr alle werdet dafür zu büßen haben. Das Leid, das Ihr jetzt und in Zukunft zu tragen habt, habt Ihr Euch selbst zuzuschreiben. Die Niederlage, die Deutschland durch seine Überheblichkeit erlitten hat, wird nie wieder abgeändert werden.“
Zwar hatte der amerikanische Präsident Roosevelt zunächst das von seinem Finanzminister Henry Morgenthau entwickelte Programm, das Deutschland nach der Zerstörung bzw. Demontage seiner gesamten Industrie zu einem Agrarstaat herabdrücken sollte, offiziell akzeptiert, dann aber seine Unterschrift zurückgezogen. Doch trägt die grundlegende US-Direktive JCS 1067 deutlich noch die Züge dieses Vernichtungswillens. In der Regierungsdirektive für die Militärregierung General Eisenhowers vom April 1945 heißt es:
„Deutschland wird nicht besetzt werden zum Zwecke der Befreiung, sondern als eine besiegte Feindnation. Der Zweck ist die Besetzung Deutschlands zum Zwecke der Durchsetzung alliierter Ziele.“
In keinem britischen oder US-amerikanischen sowie französischen Dokument ist von der Befreiung Deutschlands die Rede. Stets geht es um den eigenen Sieg und die Zerstörung Deutschlands. Und der alliierte Oberbefehlshaber Eisenhower nannte seine Memoiren über den Zweiten Weltkrieg „Kreuzzug in Europa“. Ein Kreuzritter aber ist kein Befreier der Ungläubigen, sondern ihr Besieger, wie die Geschichte zeigt, häufig genug auch ihr Vernichter.
Die sowjetische Propaganda hingegen sprach jahrelang davon, dass man nicht gegen das deutsche Volk Krieg führe, sondern gegen die „Faschisten“. Bekannt ist Stalins Wort, dass die Hitlers kommen und gehen, das deutsche Volk aber bestehen bleibe. Hier müssen wir allerdings die Sowjetunion an ihren Taten messen, und die beweisen, dass solche Befreiungs-Floskeln nichts sind als Propaganda. Die Ostdeutschen wissen gut genug, was die „Befreiung“ durch die Sowjets wirklich bedeutete. An dieser Stelle erübrigt sich jedes Wort.
Die Folgen unserer Niederlage waren für Deutschland und die Deutschen grauenhaft. Mindestens ein Viertel Deutschlands wurde von den Siegern annektiert, die Einwohner, wenn sie nicht geflohen waren, wurden vertrieben, oftmals auf brutalste Art. Weit über zwei Millionen Deutsche kamen nach der Berechnung des Statistischen Bundesamtes bei Flucht und Vertreibung aus Ostdeutschland ums Leben, wie es beschönigend heißt – im Klartext: Sie wurden ermordet, man ließ sie verhungern oder an Seuchen sterben.
900.000 deutsche Zivilisten, darunter zahlreiche Frauen und Jugendliche, wurden mit Billigung der Westmächte in die Sowjetunion verschleppt. Dort starben etwa 350.000. Hier geht es um wirkliche Zwangsarbeiter, die neben den deutschen Kriegsgefangenen Zwangsarbeit leisten mussten. Die Bundesregierung weigert sich übrigens bis heute, ihren damals so schrecklich drangsalierten Landsleuten aus Ostdeutschland eine Entschädigung zuzubilligen.
Die sowjetische Besatzungsmacht führte die nationalsozialistischen KZs in ihrer Besatzungszone weiter bzw. richtete neue ein und sperrte darin überwiegend willkürlich 185.000 Deutsche ein. Von ihnen kamen 65.000 bis 80.000 zu Tode.
Nach der Kapitulation der Wehrmacht gerieten 8 Millionen deutsche Soldaten in alliierte Gefangenschaft. In der Sowjetunion starben von ihnen zwischen 1,3 und 2 Millionen, in Frankreich zwischen 25.000 und 100.000, in Jugoslawien mindestens 80.000. Und die USA ließen eine nicht mehr genau festzustellende Anzahl von Kriegsgefangenen etwa in den Lagern auf den Rheinwiesen verkommen und verrecken, an Seuchen sterben und verhungern. Ein kanadischer Historiker schätzt die Opfer auf fast 1 Million, während deutsche Historiker, die sich bis zur Veröffentlichung des kanadischen Buches um diese Vorkommnisse überhaupt nicht gekümmert hatten, dann zwar zugeben mussten, dass auf den Rheinwiesen bewusst und systematisch deutsche Gefangene dem Tode ausgesetzt worden waren, aber die Zahl von 1 Million für zu hoch halten.
In der sowjetischen Besatzungszone, aber auch in der französischen wurden etwa 1,9 Millionen Frauen und Mädchen vergewaltigt. Tausende von ihnen starben oder nahmen sich das Leben.
Noch nirgendwo aufgearbeitet ist das Kapitel der massenhaften Selbstmorde ganzer deutscher Familien. Sie konnten die Quälereien der Sieger nicht länger ertragen und flohen aus dem Leben. Hier sei nur als Beispiel an die kleine vorpommersche Stadt Demmin erinnert, aber von solchen Städten gab es Dutzende und Aberdutzende. Die sowjetischen Soldaten fielen über diese pommersche Kleinstadt her wie Tiere. Frauen und Kindern wurden vergewaltigt, alte Leute umgebracht. Zum Schluss wurde die gesamte Innenstadt planmäßig in Brand gesteckt. Nachgewiesen sind 800 Selbstmorde von Menschen, die die Qualen glaubten, nicht länger ertragen zu können. Im Fall der Stadt Demmin hat tatsächlich die Landeszentrale für politische Bildung in Mecklenburg-Vorpommern diese Geschichte des Leidens in einer Broschüre dokumentiert. Die allermeisten anderen Schandtaten der Sieger aber werden bis heute weitgehend verschwiegen, und wenn man von ihnen spricht, weil sie nicht länger zu verbergen sind, dann beschönigt man sie und rechnet sie auf. So wird behauptet, die deutsche Wehrmacht habe in der UdSSR ähnlich gehaust. Daher seien die Rotarmisten berechtigt gewesen, sich zu rächen.
Das Argument ist zu allererst inhuman, ja, barbarisch, denn damit wird die Rache als politisches Instrument gerechtfertigt. Blutrache aber ist ein Rückfall in die Barbarei. Zum anderen ist dieses Argument aber vor allem historisch falsch. Das unmenschliche Verhalten eines nicht unerheblichen Teils der Roten Armee ist das Ergebnis einer alle Maßen sprengenden Gräuelpropaganda der sowjetischen Führung, die bereits im ersten Monat nach Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges im Sommer 1941 einsetzte. In dem Buch des renommierten Militärhistorikers Joachim Hoffmann „Stalins Vernichtungskrieg“ sind Flugblätter der Roten Armee wie auch Auszüge aus den vielen Armeezeitungen wiedergegeben, die sich im Bundesarchiv befinden. Man möge in dem lesenswerten Buche nachschlagen. Die Gräuelpropaganda hatte den Sinn, die Soldaten zum Widerstand zu motivieren, denn in den ersten Kriegsmonaten erwies sich, dass ein großer Teil der Roten Armee nicht bereit war, für den Sowjetstaat zu kämpfen. Die Soldaten liefen über, Einheiten lösten sich auf, Rückzüge entwickelten sich zur Flucht. Da sollte die Gräuelhetze gegen die Deutschen den Widerstandsgeist der Rotarmisten anfachen, was zum Teil gelang. Dabei waren die den Deutschen zugeschriebenen Gräuel so maßlos übertrieben, dass sie in den Augen deutscher Betrachter absurd wirkten.
Aber die heute gern geäußerten Behauptungen, die Untaten der Roten Armee seien lediglich eine Reaktion auf deutsche Untaten gewesen, wird auch dadurch entkräftet, dass Soldaten der Sowjetarmee sich nicht viel anders in anderen Ländern wie z. B. Polen verhalten haben. Auch dort säumten Massenvergewaltigungen, Brandschatzungen und Morde den Weg der „Befreier“.
Angesichts dieser Verletzungen des Völkerrechts, ja, dieser Menschenrechtsverletzungen fragt man sich, wie es die Sieger wagen können, ihre Taten als Befreiungstaten darzustellen. Alles spricht dagegen! Und es kommt der Verdacht auf, dass die Behauptung, die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich hätten nichts anderes im Sinn gehabt, als die Völker zu befreien, dass diese freche Behauptung nicht zuletzt aufgestellt wird, um die eigenen Kriegsverbrechen zu übertönen. Es waren nicht allein die Deutschen, die unter den „Befreiern“ litten. Millionen Menschen aus Estland, Lettland und Litauen, aus Ungarn und Rumänien wurden von den Sowjets deportiert. Die Krimtartaren, die Kalmücken, die Wolgadeutschen, viele Kaukasusvölker wurden ebenso barbarisch behandelt. Von den 1,5 Millionen Russland-Deutschen wurden bei deren gewaltsamer Umsiedlung 350.000 Opfer der Siegermacht Sowjetunion. Ist es ein Werk der Befreiung, wenn in den westlichen deutschen Besatzungszonen in den ersten Nachkriegsjahren insgesamt 182.000 Deutsche ohne jede Rechtsgrundlage in Internierungslager gesperrt wurden mit der Begründung, sie könnten für die Besatzung und ihre Ziele gefährlich werden? In der sowjetischen Besatzungszone wurden in 10 bis 12 vom sowjetischen Geheimdienst eingerichteten „Spezlagern“ nach sowjetischen Angaben etwa 122.000 Deutsche interniert, von denen 43.000 ihr Leben verloren.
Ist es ein Beweis für die Befreiung, wenn die Besatzungsmächte gemeinsam gemäß den Befehlen des Kontrollrates fast 35 .000 deutsche Bücher verboten? Die Besatzungsmächte befahlen, die Deutschen hätten diese Bücher, deren Titel in 4 dicken Bänden enthalten sind, abzuliefern, damit die alliierten Militärbehörden sie vernichten. Wer vermutet, dabei handelte es sich ausschließlich um Bücher wie etwa Hitlers „Mein Kampf’, der irrt. Unter den verbotenen Büchern waren die Gedichte des Minnesängers Walter von der Vogelweide ebenso wie Bücher von Gottfried Benn und Ernst Jünger, Schriften von Martin Luther, Friedrich dem Großen, Bismarck, Friedrich Nietzsche, Ernst Moritz Arndt. Aber auch alle Bildbände über die Olympischen Spiele 1936 wurden verboten ebenso wie alle Schulbücher, Atlanten und ohne Zahl Zeitschriften, gleichgültig ob Unterhaltungszeitschriften oder wissenschaftliche. Auffallend war die sehr große Anzahl von christlichen Büchern.
Das alles sollen Merkmale einer Befreiung gewesen sein?
An die Stelle der verbotenen deutschen Zeitungen und Zeitschriften traten solche, die zunächst die Besatzungsmächte leiteten, um sie dann deutschen Lizenzträgern zu übergeben, die vorher sorgfältig daraufhin untersucht wurden, ob sie auch den Kurs der Siegermächte fortsetzen würden. Und das alles geschah unter der Überschrift, man müsse Deutschland entmilitarisieren und vom Faschismus befreien.
Es war die Konsequenz aus den Kriegszielen der Alliierten, die keine weiterreichenden Pläne hatten, als zunächst Deutschland vollständig zu besiegen und das große Land in der Mitte Europas jeden Einflusses zu berauben. Sie hatten kein Konzept dafür, wie es weitergehen soll. Alle möglichen, von heute gesehen, wirren Ideen wurden auf den Konferenzen, zu denen sich die Staatsmänner der vier größten Siegermächte zusammenfanden, diskutiert, etwa Churchills dringender Wunsch, man müsse vor allem Preußen vernichten, Stalins Idee, Deutschland in lauter Kleinstaaten zu zerstückeln, die US ‑Vorschläge, Deutschland in 3 bis 7 Staaten aufzuteilen und die Deutschen nicht nur zu entwaffnen, sondern die gesamte Industrie zu demontieren oder mindestens zu zerstören. Das geschah sogar noch mehrere Jahre nach dem Krieg, während gleichzeitig internationale Programme für den Wiederaufbau Deutschlands anliefen. Weise und in die Zukunft gerichtet war die Politik der Sieger keineswegs. Die einzige Grundidee, die sich auf Dauer durchgesetzt hat, war wohl die des britischen Premierministers Winston Churchills, der verlangte, Deutschland müsse entmachtet werden, doch solle man den Deutschen den Wiederaufbau ihrer Wirtschaft erlauben. So werde Deutschland „fett, aber politisch impotent“.
Die nach dem Krieg verbreitete Behauptung, die Alliierten hätten Deutschland in die Bundesrepublik und in die DDR aufgeteilt, um die Deutschen für die Verfolgung der Juden zu strafen, ist eine Legende. Die deutsche Teilung fand erst statt, als sich die kommunistische Sowjetunion und der kapitalistische Westen entzweiten und aus den Verbündeten Feinde wurden. Da versuchte jede Seite, sich ihren Teil der Deutschen als Hilfstruppen zu versichern.
Nun ist die Behauptung, der Sieg der Alliierten sei eine Befreiung gewesen, nicht ganz falsch. Das in Deutschland seit 1933 herrschende nationalsozialistische Regime wurde ebenso vernichtet wie das faschistische in Italien. Es fragt sich aber, ob die entsetzlichen Gräuel, und die von keinem internationalen Völkerrecht gedeckte Politik gegen Deutschland unbedingt notwendig waren, um diese Regimes zu beseitigen. Was hatte denn beispielsweise die Abtrennung Ostdeutschlands und die Vertreibung seiner Bevölkerung zu tun mit der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus? Bedienten sich die Alliierten nicht der gleichen Methoden, wie sie die von ihnen verteufelten Nazis während des Krieges anwendeten?
Mir drängt sich immer häufiger die Frage auf, was eigentlich die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich legitimiert, sich als selbst ernannte Befreier und Sittenrichter aufzuspielen? Der Kommunismus war ohne jeden Zweifel das blutigste Regime, das die Welt je erlebt hat. Nach dem „Schwarzbuch des Kommunismus“, von ehemaligen Kommunisten zusammengestellt, gehen 80 bis 100 Millionen Tote auf das Konto dieses Kommunismus.
Und da schwingt sich Großbritannien auf, über Deutschland zu Gericht zu sitzen und uns vom hohen Richterstuhl der Moral zu verurteilen. Großbritannien trägt die Hauptschuld daran, dass durch den längst vor Kriegsausbruch geplanten und vorbereiteten strategischen Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung die in einem mühsamen zivilisatorischen Prozess erreichte Hegung und Zähmung des Krieges zerstört wurde. Diese bewusst herbeigeführte Einebnung der Grenze zwischen Kombattanten (den Soldaten) und den Nichtkombattanten (den Zivilisten) war der Beginn des totalen Krieges. Die Planung der britischen Regierungen, beginnend schon etwa um 1930, im nächsten Krieg alles daran zu setzen, so viele Frauen und Kinder des Gegners wie möglich mit Hilfe der Bomberflotte umzubringen, und zwar ohne Rücksicht auf das Völkerrecht, war der Rückfall in die Barbarei.
Sind solche Sieger in irgendeiner Weise legitimiert, als Befreier und Bestrafer des allein schuldigen Gegners aufzutreten? Bejaht man die Frage, sei nachgesetzt: Wer hat sie dazu legitimiert? Stalin als der verlängerte Arm des Gottes der Gerechtigkeit? Oder Churchill, an der Spitze der einstmals größten Kolonialmacht der Menschheitsgeschichte, die Ströme von Blut vergossen hat bei der Unterdrückung anderer Völker, jetzt als Verkünder der Humanität?
Wenn die Beweise für die Tatsache, dass unser Land 1945 eine vernichtende Niederlage erlitten hat, so erdrückend sind, dann muss man sich fragen, warum die Sieger ebenso wie die in Deutschland herrschende politische Klasse – und dazu gehören alle, die heute unsere Politik bestimmen, von den Politikern über die großen Verbände wie Gewerkschaften und Unternehmerorganisationen, die Kirchen bis zu den Mächtigen in Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendern – uns einreden wollen, in Wahrheit seien die Deutschen von den Sowjets, den US-Amerikanern und Briten befreit worden. Welchen Sinn hat die Umdeutung? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Die Siegermächte schreiben sich mit der Behauptung, sie seien Befreier, eine Rolle zu, die sie als die Guten erscheinen lassen, die einen gerechten Krieg gegen das Böse geführt haben. Wenn man das Gute gegen das Böse verteidigt, dann sind alle Mittel recht, denn wer wollte für das Böse eintreten? Und tatsächlich rechtfertigen Briten und US-Amerikaner die von ihnen begangenen Kriegsverbrechen mit der Behauptung, das Allerwichtigste ihrer Kriegführung sei die Beseitigung der Nationalsozialisten gewesen, und das waren nun einmal die Deutschen. Zwar seien beim Luftkrieg über 600.000 überwiegend Frauen, Kinder und alte Leute ums Leben gekommen, doch hatten sie ja selbst Schuld. Warum haben sie sich nicht selbst vom Bösen befreit, sondern Hitler 1933 gewählt? Sie hätten ja ihre Städte verlassen, ihre Regierung stürzen können, um sich dann den Feindmächten zu ergeben, und zwar bedingungslos. Dass sie das nicht getan haben, macht sie zu Mitschuldigen, die kein Mitleid verdienen.
Tatsächlich wird so von Seiten der westlichen Sieger und Hand in Hand mit ihnen von unseren Politikern und Meinungsmachern argumentiert. Selbst Schuld hatte meine Großmutter gehabt, als sie, von Geburt Dänin, 1943 in Hamburg verbrannte. Selbst Schuld hatten die 57.000 Kinder unter 14 Jahren, die bis Dezember 1944 von britischen und amerikanischen Fliegerbomben getötet wurden. (Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Luftkriegstoten amtlich erfasst, dann nicht mehr.)
Wer die These von der Befreiung Deutschlands aufrecht erhält, der entschuldigt damit die Kriegsverbrechen der Sieger. Und eines der monströsesten Verbrechen war die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa, der bekanntlich zwischen 2 und 3 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Ein Mitglied der jetzigen Bundesregierung hat das klipp und klar ausgedrückt, als er sagte:
„Die Vertriebenen müssen sich darüber klar sein, dass sie selbst die Ursache ihres Schicksals sind und die Verantwortung dafür tragen.“
Damit sind Stalin und der Kommunismus, aber auch Churchill und Roosevelt rein gewaschen worden.
Wer aber ist zu verurteilen, weil er sich bemüht hat, unsere Befreiung zu verhindern? Das liegt auf der Hand: Die deutschen Soldaten, die tapfer an den Fronten gegen die „Befreier“ gekämpft haben. Tatsächlich läuft schon seit Jahren die Kampagne gegen die Gefallenen, etwa als der frühere Arbeitsminister Blüm als einer der ersten schon 1978 öffentlich erklärt hat, die deutschen Soldaten an der Front seien schuld für die Judenvernichtung, denn hätten sie nicht gekämpft, dann hätte man die Juden nicht vergasen können. Und seitdem geistert diese obszöne Behauptung durch die Medien und die Reden von Politikern. Das hat dann z. B. die Folge, dass der deutsche Staat sich nicht veranlasst sieht, unseren Gefallenen würdige Ruhestätten zu bereiten, wie es in allen anderen kriegführenden Staaten selbstverständlich ist. Das muss der private Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge nahezu allein durch gesammelte Spenden bewerkstelligen. (Die Bundesregierung trägt nicht einmal zehn Prozent der Kosten.) Am Rande vermerkt: Sie gibt aber jährlich Millionen Euro aus, um die Ruhestätten und teilweise pompösen Ehrenmale der gefallenen sowjetischen Soldaten zu restaurieren und zu unterhalten. Aber die gehören ja auch zu den Befreiern… Und so erklären sich auch die häufig peinlichen Auftritte von Vertretern der jeweiligen deutschen Botschaften, wenn im Ausland, und das war in den letzten Jahren vor allem in Osteuropa der Fall, neue deutsche Soldatenfriedhöfe eingeweiht werden. Nicht selten treten dann diese Beamten der BRD bei den Feierlichkeiten auf, um den Deutschen klar zu machen, dass sie die Alleinschuldigen und die dort ruhenden deutschen Gefallenen für ihr Schicksal selbst verantwortlich gewesen seien.
Alle Kriegsverbrechen der Sieger, und sie sind an Zahl und Umfang mindestens so groß wie die der Deutschen gewesen, werden, wenn man sie schon nicht totschweigen kann, überdeckt, entschuldigt, geschönt mit der Begründung, man hätte Deutschland und die Welt befreien müssen, wobei dann bedauerlicherweise auch hier und da einmal Ausschreitungen vorgekommen seien, die aber angesichts der deutschen Verbrechen verzeihlich seien.
Und warum gibt es neben den Vertretern der Siegermächte, deren Versuche, sich von jeder Schuld freizusprechen, noch verständlich sein könnten, so viele Deutsche, die in dieselbe Kerbe hauen? In den Schulen und an den Universitäten wird der nachwachsenden deutschen Generation nichts anderes eingetrichtert, als eben diese Thesen von der Alleinschuld der Deutschen und der Befreiung durch Sowjets, Amerikaner und Briten.
Die Alliierten haben nach dem deutschen Zusammenbruch sorgfältig darauf geachtet, dass die Herrschaftsinstrumente, und das waren zunächst Zeitungen und Zeitschriften sowie die Radiostationen und Buchverlage, dann die führenden Positionen in Politik und Verbänden, mit Leuten ihres Geistes besetzt wurden. Da kamen dann Menschen zurück, die in der Gefangenschaft umgeschult worden waren, es wurden Leute ausgewählt, die immer Gegner des Nationalsozialismus gewesen waren und nun quasi den Krieg mitgewonnen hatten. Emigranten kehrten zurück. Sie wiederum schulten den Nachwuchs. So lag beispielsweise die Ausbildung der Volontäre, also der zukünftigen Journalisten, beim Nordwestdeutschen Rundfunk, aus dem später NDR und WDR wurden, in den Händen des Altkommunisten Axel Eggebrecht. Und das war nur eine der Fort- und Ausbildungsinstitutionen jener Personen, die einmal Meinung in der BRD machen sollten. Nicht wenige unter den führenden Meinungsbildnern waren ehemalige Nationalsozialisten, die sich umgestellt hatten und nun das anbeteten, was sie vorher verdammt hatten, und alles verdammten, was sie vorher angebetet hatten. Damit sicherten sie ihre Positionen und machten sich ihr Leben alles in allem leichter. Indem sie die Thesen der Sieger übernahmen, traten sie gleichsam aus dem deutschen Volk heraus und fühlten sich als Mitsieger, die die Befreiten belehrten und auf den richtigen Weg bringen durften.
Die Gehirnwäsche (oder wie es das erhellende Buch über die Auswahl der Meinungsführer in dem besetzten Westdeutschland nennt: die „Charakterwäsche“) eines ganzen Volkes war überaus erfolgreich, weswegen die US-Regierung zunächst verkündete, so wolle sie auch im Irak vorgehen. So ist der Schwachsinn zu erklären, dass im April 1992, um nur ein Beispiel zu erwähnen, am Rathaus Münchens, das sich vor 1945 gern „Hauptstadt der Bewegung“, der NS-Bewegung nämlich, nennen ließ, eine große Inschrift angebracht wurde:
„Den Mitgliedern der US-Streitkräfte, die München am 30. April 1945 von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreiten. – Die Landeshauptstadt.“
Die Deutschen sind ein Volk geworden, das sowohl aus Befreiten, als auch aus Alleinschuldigen besteht, wofür heute gern der Begriff „Tätervolk“ verwendet wird. In der letzten Zeit scheint die Kollektivschuldthese die von der Befreiung zu überdecken. Schlagendstes Merkmal ist die Äußerung des Außenministers Joschka Fischer auf die Frage eines französischen Journalisten, welches die geistigen Grundlagen der heutigen BRD seien, so wie Frankreichs Grundlage die Französische Revolution von 1789 ist. Fischer antwortete, die Lebensgrundlage Deutschlands sei Auschwitz.
Ein kollektiv so belastetes Volk kann die Probleme der Gegenwart und Zukunft nicht bewältigen. Die junge Generation will keine Kinder in die Welt setzen. Wirtschaft und Politik sind zu keinen grundlegenden Neuerungen und Reformen in der Lage. Die deutsche Sprache wird durch ein Mischmasch aus mangelhaftem Deutsch und fehlerhaftem Englisch verhunzt. Das Ergebnis dieser jahrzehntelangen Geschichtspolitik haben wir vor uns.
Die deutsche Niederlage als Befreiung zu werten, dazu sind nur die Menschen befugt, die damals im deutschen Namen um ihre Freiheit gebracht worden waren, also die Menschen in den Konzentrationslagern, Lagern von Zwangsarbeitern, natürlich auch Lagern von Kriegsgefangenen. Wie unmöglich es allerdings ist, alle Lagerinsassen über einen Kamm zu scheren, geht schon aus der Tatsache hervor, dass Millionen von Menschen aus dem Machtbereich der Sowjetunion, aus den baltischen Staaten, aus Jugoslawien, die in Deutschland arbeiteten, keineswegs die Absicht hatten zurückzukehren. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass die Insassen der Lager von kriegsgefangenen polnischen Offizieren fast schneller die Flucht vor der Roten Armee nach Westen antraten, als ihre betagten deutschen Wachmannschaften das Tempo mithalten konnten.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte Recht, als sie schon anlässlich der 40-Jahr-Feiern der deutschen Niederlage schrieb:
„Diese Deutschen wurden 1945 eben nicht von einer ‚Schreckensherrschaft’ befreit, wie es die (damalige) Bundestagspräsidentin Süssmuth gern sehen würde. Die Deutschen haben die ‚Schreckensherrschaft’ nicht als solche empfunden. Deutschland ist nicht befreit, sondern tatsächlich überwunden worden.“
Aber der 8. Mai 1945 ist trotz allem ein schwieriges Thema, jenes Ereignis, das für eine nicht kleine, aber bei Weitem nicht die Mehrheit ausmachende Gruppe auch eine Befreiung war. Einerseits wurde ein totalitäres Regime beseitigt. Andererseits errang das nicht minder totalitäre und menschenverachtende Sowjetreich die Oberhand. Einerseits die Erleichterung in Deutschland darüber, dass der Krieg zu Ende war und die Entwicklung zum freiheitlichen Rechtsstaat möglich wurde – andererseits die Tatsache, dass die Folgen des deutschen Zusammenbruchs alle Deutschen traf und heute noch trifft, gleichgültig welcher politischen Richtung man anhängt. Der Zweite Weltkrieg war sowohl ein Krieg der Staaten und Nationen, als auch die Auseinandersetzung zwischen gegensätzlichen Ideologien. Es gelang dem Liberalismus gemeinsam mit dem Kommunismus, den Nationalsozialismus zu zerstören. Gleichzeitig war deren Sieg auch die Niederlage Deutschlands und der Deutschen. Die Abtrennung der deutschen Ostgebiete wirkt sich dauerhaft aus, auch wenn die nationalsozialistische Ideologie beseitigt ist. Nicht nur die Vertriebenen haben Ostdeutschland verloren, sondern alle Deutschen.
Das kulturelle Erbe aller Deutschen, Bauwerke aus Jahrhunderten, Kirchen, Schlösser, gewachsene Städte und Denkmale, die allesamt nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun hatten, wurden zunächst durch britische und US-amerikanische Bomber zerstört. Die Sowjetarmee raubte in großem Umfang Gemälde, Archive, räumte Museen aus, eignete sich Werke der Wissenschaft an, und heute weigert sich das seit mehr als zehn Jahren nicht mehr kommunistische Russland, die völkerrechtswidrigen Raubzüge des Sowjetregimes wieder gut zu machen, indem es den Deutschen – also nicht den „Nazis“ – diese Dokumente unseres nationalen Erbes und die Zeugnisse unserer Identität zurückgibt. Und am Rande sei vermerkt, dass all das auch auf Polen zutrifft.
Und das alles soll eine Befreiung gewesen sein? Die Folgen der Niederlage trafen alle Deutschen, gleichgültig ob jung oder alt, Mann oder Frau, arm oder reich, klug oder weniger intelligent, Nationalsozialisten wie Antifaschisten. Wir Heutigen werden in Haftung genommen für das, was in jenen Jahren in Deutschland geschah oder von Deutschland ausging – wobei nicht unterschieden wird zwischen dem, was wirklich geschah, und dem, was eine überbordende Propaganda aus den Ereignissen machte und weiterhin macht. Wir werden zur Verantwortung gezogen.
Nun ist bemerkenswert, dass die mit den historischen Tatsachen nicht übereinstimmende Behauptung, wir seien 1945 befreit worden, gekoppelt mit der uns immer heftiger eingeredeten Kollektivschuld der Deutschen (oder Kollektivscham, was nichts anderes ist,) zunächst von den Siegermächten erfunden und in die Welt gesetzt wurde. Das kann ich noch verstehen. Dass dies aber jetzt, 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus, von Deutschen weitergetragen und gepredigt wird, dürfte ein in der Weltgeschichte einmaliger Vorgang ein.
Was veranlasst diese Deutschen dazu, ihr eigenes Volk permanent zu diffamieren? Die Behauptung, wenn wir nur immer wieder unsere Schuld bekennen, dann würde unser Ansehen in der Welt wachsen, hat sich als falsch erwiesen. Wir können büßen, so viel wir wollen, und zwar moralisch wie auch durch Tributzahlungen an alle Welt – wir werden trotzdem weiter als die Schuldigen, als das „Volk der Täter“, das kein Erbarmen verdient, angeprangert und beleidigt. Diese dauernden Schuldbekenntnisse haben Folgen. Im August 2003 sagte der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, es sei
„der deutsche Schuldkomplex, der uns lähmt. Er verhindert auch die nötigen Reformen, weil wir jedem Streit aus dem Wege gehen wollen.“
Inzwischen hat er darüber ein lesenswertes Buch „Die Kraft des Neubeginns“ geschrieben. Und der weltweit angesehene israelische Militärhistoriker Martin van Creveld sagte in einem Interview mit der Zeitschrift „Sezession“ im Sommer 2003, durch die sie niederdrückende Schuld scheinen die Deutschen
„ihren Lebenswillen verloren zu haben. Sie sind weder bereit zu kämpfen, noch Kinder zu bekommen.“
Bei der jungen deutschen Generation gibt es keinerlei Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem Vaterland. Sie lachen, wenn dieser Begriff schon fällt. Am liebsten würden sie aus dem schuldbeladenen Volk der Deutschen austreten, um den Beschuldigungen zu entgehen. Tatsächlich wächst von Jahr zu Jahr die Zahl der deutschen Auswanderer, und es sind die überdurchschnittlich gut ausgebildeten und unternehmungslustigen Leute, die unserem Volk den Rücken kehren.
Seit wenigen Jahren verfolgt die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, zusammen mit anderen Politikern – hier nenne ich nur den prominenten Sozialdemokraten Peter Glotz – den Plan, ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin zu errichten. Dort sollen die Vertreibungen des 20. Jahrhunderts dokumentiert werden in Ausstellungen, Bibliotheken, Artikeln. Es sollen Forschungsarbeiten zum Thema „Vertreibung“ veranlasst werden usw. Im Sommer 2003 hat sich eine Gruppe von etwa 30 Leuten, überwiegend Polen und Tschechen, aber auch einige Deutsche wie Rita Süssmuth, Günter Grass, der letzte Außenminister der DDR und jetzige SPD-Politiker Pfarrer Markus Meckel dagegen ausgesprochen, dass dieses „Zentrum gegen Vertreibungen“ in Berlin errichtet wird. Es müsse internationalisiert werden und dürfe nur in Warschau oder einem Ort der Tschechei stehen. Keineswegs dürfte die Vertreibung der Deutschen im Mittelpunkt der Forschungen, Ausstellungen und Veröffentlichungen dieses „Zentrums“ stehen, denn wir müssten bedenken, dass wir Deutschen als „Volk der Täter“ selbst Schuld daran haben, dass die Ostdeutschen vertrieben worden sind. Bundeskanzler Schröder hat sich sofort auf die Seite der Tschechen und Polen und der deutschen „Polenlobby“ gestellt wie auch natürlich der Außenminister Joschka Fischer. Erfreulicherweise haben sich die Parteivorsitzenden Edmund Stoiber und Angela Merkel im Namen ihrer Parteien ebenso wie Guido Westerwelle für die FDP dafür eingesetzt, dass dieses Zentrum in Berlin stehen soll. Aber man kann wohl davon ausgehen, dass die mächtigen linken Kräfte in Deutschland, ob Politiker, ob kulturell tätige Intellektuelle, ob Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsender, alles tun werden, um ein solches Zentrum über Vertreibungen in Berlin zu verhindern. Sie alle fürchten Auseinandersetzungen mit dem Ausland, sie alle sind nicht bereit, den deutschen Standpunkt offensiv zu vertreten, zumal ein Teil von ihnen wirklich die Deutschen hasst. Das sind jene, die aus dem Land der Deutschen eine multikulturelle Gesellschaft machen wollen. Es sind jene, die mit dem Gebrüll „Nie wieder Deutschland!“ oder „Deutschland verrecke!“ durch die Straßen ziehen und in ihren Veröffentlichungen ungestraft gegen alles Deutsche hetzen und ihre Landsleute diffamieren. Sie zählen sich nicht mehr zu uns Deutschen. Sie haben sich selbst aus der Verantwortung für Deutschland und die Deutschen entlassen und wünschen den Deutschen alles Schlechte. Als Kritiker und Richter schmähen sie voller Häme alles, was in ihren Augen „typisch deutsch“ ist, und das ist für sie gleichbedeutend mit „typisch blöd“. Vor der ehrlichen Aufarbeitung der schwarzen wie der weißen Seite unserer Geschichte fliehen sie. Sie wählen aus der Vergangenheit nur solche Ereignisse aus, die sie als Waffe gegen uns verwenden können, um uns jederzeit unter Druck zu setzen. Das gipfelt dann in dem Bestreben etwa von Joschka Fischer, einen europäischen Bundesstaat unter Aufgabe der deutschen Identität zu schaffen. Das ist nichts weiter als eine Flucht aus der deutschen Verantwortung.
Und so ist es vermutlich zu erklären, dass ein Kanzler der BRD am 8. Mai 2005, dem 60. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht, nach Moskau gereist ist, um gemeinsam mit denen, die die Tradition des Sowjetregimes fortsetzen, den Sieg des Bolschewismus über Deutschland zu feiern. Sie zählen sich nicht mehr zu den Deutschen.
Wir wollen uns trotzdem nicht entmutigen lassen, sondern weiter unsere Meinung sagen. Wir können die Gewissheit haben, dass die historische Wahrheit auf unserer Seite ist und dass dieser Zustand der Sühnedeutschen eine Krankheit bedeutet, die über kurz oder lang der seelischen Gesundung weicht.
Auf die Bestrebungen, uns unser deutsches Nationalbewusstsein auszutreiben, können wir antworten mit den Worten des vor einigen Jahren verstorbenen, hoch angesehenen deutschen Historikers Thomas Nipperdey, der fragte:
„Brauchen wir überhaupt eine Nation? Ist nicht das Individuum sich selbst genug mit den Wohlstandsidealen, der Selbstbestimmung und der Selbstverwirklichung? Oder gibt es nichts anderes: den Sozialismus, Konsumkritik, Feminismus? Sollten wir uns nicht an Europa und an der „einen Welt“ und Menschheit orientieren? An Heimat und Region? An die gute Verfassung, die sich die Bundesrepublik Deutschland gegeben hat? – Mir scheint, das alles sind intellektuelle Erwägungen. Wir werden gar nicht gefragt, ob wir eine Nation sein wollen, ob Sie und ich Deutsche sein wollen, ob uns das wichtig ist oder gleichgültig. Wir werden so gesehen. Die Welt ist die Welt der vereinten Nationen. Europa ist das Europa der Vaterländer. Weil alle Nationen sind, sind wir für die anderen eine Nation, ob wir wollen oder nicht. Wir sind mit unserem Heimatland, mit unserer Nation identisch. Und so wie wir sind, sind wir anders als andere, und zwar aus dem Zufälligen unserer Herkunft und unseres geschichtlichen Lebenslaufes.“
Und dazu wollen wir uns bekennen.