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ATTAC Newsletter: Argentinien: Krise ohne Ende?

Entgegen der ober­fläch­li­chen Behaup­tung, die Bindung an den US-Dollar habe das Land ruiniert, hier eine etwas tiefer­ge­hende Analyse.

Von Pedro Morazán

Gramci: „la crisis consiste en el hecho de que lo viejo muere y lo nuevo no puede nacer”

Die ehemalige „Korn­kammer der Welt” und heute noch einer der wich­tigsten Expor­teure von Agrar­pro­dukten und Rind­fleisch sieht sich gezwungen, den Notstand für Nahrungs­mittel aufzu­rufen. Das Land ist bankrott und hat bereits das größte Schul­den­mo­ra­to­rium in der Geschichte der Welt­wirt­schaft erklärt. Brot­auf­stände von verarmten und vom Arbeits­pro­zess margi­na­li­sierten Bevöl­ke­rungs­teilen sowie andau­ernde Demons­tra­tionen der verarmten Mittel­schichten („Cace­ro­lazos”) und eine herr­schende Olig­ar­chie, deren Regie­rungen mit ihrem neoli­be­ralen Latein am Ende ist, kenn­zeichnen das Bild Argen­ti­niens Anfang des Jahres 2002. Weder für popu­lis­ti­sche Verspre­chungen noch für einen weiteren Ausver­kauf des natio­nalen Vermögens stehen den Herr­schenden in Argen­ti­nien poli­ti­sche Mittel zur Verfügung.

Der IWF und die OECD — Regie­rungen haben ihrem einstigen Muster­schüler den Rücken gekehrt und agieren, als ob sie mit dieser Krise nichts zu tun hätten. Sie verlangen von der argen­ti­ni­schen Regierung ein „kohä­rentes Wirt­schafts­pro­gramm”, was in der Sprache des IWF nicht anderes heißt als: Die argen­ti­ni­sche Bevöl­ke­rung soll wieder die Zeche zahlen, während die inter­na­tio­nalen und argen­ti­ni­schen Kapi­tal­spe­ku­lanten und ihre Banken unge­schoren davon kommen. Der Umgang mit der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft mit der Krise lässt vermuten, daß Argen­ti­nien z.Z. ein Versuchs­ka­nin­chen des IWF und der G‑7-Länder ist: Um die Leidens­grenzen der „emerging Markets” zu testen, werden sie die ganze Last der Krise auf den Rücken der übrig geblie­benen Lohn­ab­hän­gigen und der verarmten Mittel­schichten austragen lassen, ohne die wohl so unwirksam wie ungeliebt gewor­denen Stüt­zungs­kre­dite des IWF wie seiner­zeit in Mexico ’95, Asien ’98 und Russland ’99 einzu­setzen. Einmal mehr sehen die Herren der Welt keinen Anlass, die inter­na­tio­nale Finanz­ar­chi­tektur zu verändern, inter­na­tio­nale Kapi­tal­kon­trollen einzu­führen und die untrag­baren Schulden von Entwick­lungs­län­dern in einem geord­neten fairen und trans­pa­renten Verfahren zu erlassen.

Der einst so geliebte Muster­schüler steht alleine in der Ecke und versteht die neoli­be­rale Welt und ihre Mentoren nicht mehr. Während die Banken dafür gesorgt haben, daß die Groß­an­leger ihr Geld rechts­zeitig in sichere Häfen bringen konnten, werden die Erspar­nisse der einfachen Bevöl­ke­rung durch Konto­sper­rungen und Abwertung enteignet. Mit Sammel­klagen in den Gerichten der jewei­ligen Gläu­bi­ger­länder von New York über London und Frankfurt bis Madrid, versuchen private Kapi­tal­an­leger die argen­ti­ni­sche Regierung auf Scha­dens­er­satz zu verklagen und das argen­ti­ni­sche Vermögen im Ausland zu enteignen1. Argen­ti­ni­sches Vermögen kann in solchen Fällen konfis­ziert werden, falls — wie zu erwarten ist — solche Klagen zum Erfolg führen.

Das argentinische Modell: „Dollarisierung mit steigender
Auslandsverschuldung”

Das argen­ti­ni­sche Modell der Dolla­ri­sie­rung mit stei­gender Auslands­ver­schul­dung ist eine Erfindung des IWF. Dieses Modell geht auf das Jahr 1976 zurück als die damalige Mili­tär­dik­tatur „süßes Geld” von inter­na­tio­nalen Banken in Form von Krediten mit niedrigen Markt­zinsen erhalten hat. Aus volks­wirt­schaft­li­cher Sicht war damals die Kredit­auf­nahme über­flüssig2, denn Argen­ti­nien konnte mit seinen Export­ein­nahmen sowohl die Importe als auch den Schul­den­dienst finan­zieren. Das inter­na­tio­nale Finanz­system war aber auf der Suche nach Anla­ge­mög­lich­keiten infolge der durch die Petro­dol­lars entstan­dene Über­li­qui­dität. Zwischen 1976 und 1983 ist die Auslands­ver­schul­dung von 7,8 Mrd. US$ auf 45,1 Mrd. US$ ange­stiegen. Mit dem Geld hat das Militär u.a. Rüstungs­im­porte aus den USA und Europa sowie eine gnaden­lose Unter­drü­ckung der eigenen Bevöl­ke­rung mit mehr als 30.000 Verschwun­denen finan­ziert: 44% der aufge­nom­menen Kredite wurden für die Finan­zie­rung der Kapi­tal­flucht, 33% für den Schul­den­dienst und 23% für Rüstungs­im­porte eingesetzt.

Mit dem IWF wurde die erste Libe­ra­li­sie­rung des Finanz­sys­tems unter der Führung von Martínez de la Hoz durch­ge­führt: Dadurch wurde die einhei­mi­sche Zinsrate höher als die auf den inter­na­tio­nalen Finanz­märkten. Argen­ti­ni­sche und in Argen­ti­nien ansässige inter­na­tio­nale Groß­firmen und Banken haben sich immer wieder billig im Ausland verschuldet und mit dem Geld die durch Kapi­tal­an­lagen im Inland größeren Rendite erzielt, die sie wiederum auf auslän­di­schen Konten angelegt haben. Diese offene Form von Kapi­tal­flucht war in Argen­ti­nien unter dem Namen „bicicleta finan­ciera” bekannt — Finanz­fahrrad (ein Mal auf die Pedale getreten hat sich das System der Verschul­dung munter weiter gedreht.)

Als die Schul­den­krise 1982 offen ausbrach, wurde auch auf Empfeh­lung des IWF und des US-Finanz­mi­nis­te­riums diese private Verschul­dung mit Hilfe von Wech­sel­kurs­ga­ran­tien verstaat­licht3. Mehr als 14,5 Mrd. US$ hat der Staat und damit direkt oder indirekt die argen­ti­ni­sche Bevöl­ke­rung für die Entschä­di­gung von natio­nalen und inter­na­tio­nalen Kapi­ta­listen bezahlt. Zwischen 1981 und 1990 musste der argen­ti­ni­sche Staat allein für die Zins­zah­lungen an das Ausland 33,2 Mrd. US$ aufbringen.

Der neue neoli­be­rale Zyklus, der 1991 mit der Regierung Menem begann, mündete in der gegen­wär­tigen Wirt­schafts­krise Argen­ti­niens. Auch hier waren inter­na­tio­nale und argen­ti­ni­sche Kapi­tal­spe­ku­lanten sowie der IWF als geistiger Vater des soge­nannten „Programa de Conver­ti­bi­lidad” am Werk. In der Zeit stieg die argen­ti­ni­sche Auslands­ver­schul­dung von 58,6 Mrd. 1991 auf 144,7 Mrd. 1999 — noch schneller als in der ersten Verschul­dungs­phase (1976 — 1989).

Die von IWF und Weltbank bis zu der Asien­krise hoch­ge­prie­sene Phase der anstei­genden Kapi­tal­zu­flüsse in die „emerging markets” („süßes Geld”) ist die andere Seite der Dolla­ri­sie­rungs­medallie: Zwischen 1991 und 1995 kamen nach Argen­ti­nien durch­schnitt­lich 10,8 Mrd. US$ jährlich. Der neue Speku­la­ti­onstango hat aller­dings nicht lange gehalten: Seit 1995 beträgt der Aderlass durch­schnitt­lich 2,5 Mrd. US$ im Jahr („negativer Kapi­tal­zu­fluss”). Auch in dem neuen neoli­be­ralen Zyklus wurden die Finanz­spe­ku­lanten mehrmals entschä­digt; zuletzt durch den soge­nannten Megacanje (Mega-Schul­den­um­wand­lung), der vom Super­mi­nister Cavallo mit einer Gruppe von (zum größten Teil) inter­na­tio­nalen Banken im Jahr 2001 im Schnell­ver­fahren beschlossen wurde. Es war der letzte Tango eines noch halbwegs souve­ränen Landes mit eigener Währung.

Für 5 Mrd. US$ hat die argen­ti­ni­sche Regierung das staat­liche Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­un­ter­nehmen ENTel als Rück­zah­lung an die Gläubiger in Form von Schuld­ti­teln versil­bert. Die Gläu­bi­ger­banken haben für den Tausch einer effi­zi­enten Firma den Nomi­nal­wert ihre Schuld­titel einge­setzt, während diese Titel auf dem Sekun­där­markt der Schulden mit 15% gehandelt wurden. Anders ausge­drückt: Die Gläu­bi­ger­banken haben für eine Firma im Wert von 5 Mrd. US$ 750 Mio. US$ bezahlt. Etwa ein Sechstel der Verpflich­tungen gegenüber den Privat­banken wurde auf diese Weise abgebaut (Schvarzer). Die Einnahmen aus der Priva­ti­sie­rung haben weder die Auslands­ver­schul­dung nach­träg­lich reduziert, noch die Staats­ein­nahmen erhöht. Während der Schul­den­berg durch die Kapi­ta­li­sie­rung von Zinsen weiter anstieg, führten die Spar­maß­nahmen im öffent­li­chen Sektor zu einer Senkung der Reallöhne der Beschäf­tigten, zu einer Verschlech­te­rung der Renten und der sozialen Dienst­leis­tungen insbe­son­dere im Gesund­heits- und Bildungs­be­reich4.

Ende 1996 setzt sich die argen­ti­ni­sche Auslands­ver­schul­dung in Höhe von 100 Mrd. US$ wie folgt zusammen: 60% Bonds (Staats­an­leihen), 15% Verpflich­tungen gegenüber multi­la­te­ralen Finanz­in­sti­tu­tionen und 22% gegenüber öffent­lich bila­te­ralen Gläu­bi­gern. Lediglich 3% sind Schulden gegenüber den Privat­banken. Mit der Unter­zeich­nung des Brady-Plans 1992 hat der damalige Wirt­schafts­mi­nister Domingo Cavallo in der Tat das Schul­den­pro­blem gelöst. Aber lediglich aus der Sicht der Privat­banken5: Sie haben sich aus dem Risiko gerettet, während Argen­ti­nien in der Schul­den­falle gefangen blieb.

Alte Schulden wurden gegen neue Schulden getauscht, wobei ein erheb­li­cher Teil des natio­nalen Vermögens veräußert und der Grund­stein für die Zerstö­rung der schwachen indus­tri­ellen Basis gelegt wurde. Die neue Verschul­dung setzte das Land unter einen erheb­li­chen Anpas­sungs­druck: Mehr als 10 Mrd. US$ jährlich sind an anste­henden Kapi­tal­zah­lungen fällig. Diesen Zahlungs­ver­pflich­tungen ist lediglich durch Neuver­schul­dung nach­zu­kommen. Neue Kredite werden nur beim Abbau des Haus­halts­de­fi­zits gewährt. Darüber hinaus ist die argen­ti­ni­sche Regierung verpflichtet Markt­zinsen über die jährliche Neuver­schul­dung zurück zu zahlen. Für die „emerging markets” wird der Effek­tiv­zins als die Summe zwischen dem inter­na­tio­nalen Zinssatz und dem soge­nannten spread bezeichnet, der sich aus dem Vertrauen der inter­na­tio­nalen Bond­holder ergibt. Sie orien­tieren sich an der Entwick­lung des Sekun­där­marktes für Schuld­titel und den wirt­schaft­li­chen Aussichten des Schuld­ner­landes. Diese zusätz­liche Zins­be­las­tung nennt man „Länder­ri­siko”. Das Länder­ri­siko steigt in Krisen­zeiten, wie die México-Krise 1994 oder die Asien­krise 1997. Im Fall Argen­ti­niens erreichte das Länder­ri­siko in den letzte drei Jahren histo­ri­sche Rekord­werte. Mitte ’98 lag es bei 7 — 9 Punkten, während die inter­na­tio­nale Zinssätze bei 5% — 6% lag. Im Jahre 2001 erhöhte sich das Länder­ri­siko auf 3600 Punkte. Die Kosten für die argen­ti­ni­sche Volks­wirt­schaft sind uner­mess­lich: Zwischen 8 und 11 Mrd. US$ an zusätz­li­chen Zinsen, d.h. 3% des argen­ti­ni­schen BSP und mehr als 25% des natio­nalen Haushalts6.

Die Abhän­gig­keit Argen­ti­niens von Bond­märkten wurde durch die Auslands­ver­schul­dung vertieft: Die argen­ti­ni­sche Regierung war gezwungen Bonds in Höhe von 300 bis 800 Mio. US$ wöchent­lich auf den inter­na­tio­nalen Kapi­tal­märkte auszu­schreiben, um seinen Schul­den­dienst­ver­pflich­tungen nachzukommen.

Gewinner: Die Finanzoligarchie

Es gibt Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern und Haupt­ver­ur­sa­chern dieser Krise gehören in erster Linie die großen Besitzer von „hot capital” (activos liquidos), die immer größere Anteile gegenüber Port­fol­leu­in­ves­toren erhalten haben. Von der Krise wurde der produk­tive Sektor am meisten getroffen und hier natürlich die lohn­ab­hän­gigen, die drama­ti­sche Reallohn- und Arbeits­platz­ver­luste hinnehmen mussten7.

Insofern zeigt sich in Argen­ti­nien eine sehr enge Verflech­tung zwischen einhei­mi­schem und inter­na­tio­nalen Speku­la­ti­ons­ka­pital. Die Wirt­schafts­re­formen, die unter der Ägide des IWF in den 80er und 90er Jahr durch­ge­führt wurden haben zur Heraus­bil­dung einer neuen Schicht von Rentier­ka­pi­ta­listen geführt, deren Profite nicht aus den Indus­trie­an­lagen entstanden sind, sondern aus Speku­la­ti­ons­ge­schäften im Finanz‑, Banken‑, Dienst­leis­tungs- und Immo­bi­li­en­be­reich. Sie sind gleich­zeitig in den inter­na­tio­nalen Finanz­märkten voll inte­griert. Um ihre Rendite abzu­si­chern, brauchen sie eine starke, jederzeit umtausch­bare Währung und einen zahlungs­fä­higen Staats­ap­parat. Ihre Devise lautet: Das Hauhalts­de­fizit auf Null zu redu­zieren. Die Rating-Agenturen erfüllen hierzu eine wichtige diszi­pli­nie­rende Funktion, damit die Regierung des Schuld­ner­landes weiter on track bleibt.

Die wirt­schaft­liche Stagna­tion führte gleich­zeitig zu einer weiteren Verschär­fung der Einkom­mens­dis­pa­ri­täten: Die ärmsten 10% der Bevöl­ke­rung erhalten lediglich 1,5% des Gesamt­ein­kom­mens im Jahr 2000. Im Jahr 1980 waren es noch 3,2% des Gesamt­ein­kom­mens. Auf der anderen Seite der Pyramide lief die Entwick­lung genau umgekehrt: Die reichsten 10% der Bevöl­ke­rung vergrö­ßerten ihren Anteil am Gesamt­ein­kommen in derselben Periode von 27% auf 37%. So hat sich das Verhältnis des durch­schnitt­li­chen Einkom­mens der reichsten 10% zu dem durch­schnitt­li­chen Einkommen der ärmsten 10% der Bevöl­ke­rung drastisch verschoben: 1980 war es noch 9 mal so groß, während es heute 24 mal größer ist als das durch­schnitt­liche Einkommen der ärmsten 10%8.

Heute sind die Reallöhne im Durch­schnitt 30% niedriger als in den 80er Jahren. Die Arbeits­lo­sig­keit ist von durch­schnitt­lich 6% in den 70er auf 8% in den 80er und 14% in den 90er Jahren ange­stiegen und beträgt Anfang des Jahres 2002 mehr als 20%. Der Anteil der Lang­zeit­ar­beits­losen ist sprung­haft ange­stiegen. Die Arbeits­losen erhalten in Argen­ti­nien keine soziale Absi­che­rung9.

Das falsche Dilemma der Dollarisierung

Im vorherr­schenden ortho­doxen Diskurs wird auch im Fall Argen­ti­niens eine falsche Wech­sel­kurs­po­litik als Haupt­ur­sache für die Krise ausge­macht. Es heißt, die Krise hätte vermieden werden können, wenn die argen­ti­ni­sche Regierung recht­zeitig entweder den festen Wech­sel­kurs aufge­geben hätte oder die Natio­nal­wäh­rung, wie Ecuador vor zwei Jahren, durch den US$ ersetzt hätte. Sicher­lich spielt in einer offenen Volks­wirt­schaft wie der argen­ti­ni­schen die Wech­sel­kurs­po­litik eine wichtige Rolle, insbe­son­dere hinsicht­lich der Infla­ti­ons­be­kämp­fung. In der heutigen Welt­wirt­schaft haben aber nur wenige Länder das Privileg, das Instru­ment erfolg­reich einzu­setzen. Einer­seits machen die insta­bilen Wech­sel­kurse der drei Leit­wäh­rungen US$, Euro und Yen es für kleinere Volks­wirt­schaften unmöglich, sich wirksam vor externen Einflüssen zu schützen. Ande­rer­seits bewirken dere­gu­lierte Finanz­märkte durch Speku­la­ti­ons­an­griffe die Verschär­fung von Krisen in den soge­nannten „emerging Markets”, auch wenn die allge­meinen volks­wirt­schaft­li­chen Rahmen­be­din­gungen (einschließ­lich der Wech­sel­kurs­po­litik) stimmen. Wenn inter­na­tio­nale Speku­lanten ihre über­mä­ßigen Rendite in Gefahr sehen, dann werden sie ihr Kapital abziehen, unab­hängig davon, ob im jewei­ligen Land ein fester oder ein flexibler Wech­sel­kurs vorherrscht.

So gesehen ist eine Erklärung für die argen­ti­ni­sche Krise nicht alleine in der Wech­sel­kurs­po­litik zu suchen. Die Haupt­ur­sache dieser Krise sind die untrag­baren Auslands­schulden von mehr als 141 Mrd. US$, die jegliche Entwick­lungs­chancen für das südame­ri­ka­ni­sche Land unmöglich machen. Jeder Versuch, Wirt­schafts­sta­bi­lität zu erreichen, wird durch die Auslands­ver­schul­dung zunichte gemacht.

ATTAC fordert:

  • Das Schul­den­mo­ra­to­rium Argen­ti­niens soll in eine Strei­chung der untrag­baren Auslands­schulden münden.
  • Die Entschul­dung Argen­ti­niens soll in einem geord­neten Verfahren durch­ge­führt werden, in dem sowohl die argen­ti­ni­schen als auch die inter­na­tio­nalen Gläubiger für die Folgen ihrer Speku­la­ti­ons­ge­schäfte die Verant­wor­tung und die Kosten über­nehmen müssen.
  • Eine neutrale Instanz — und nicht der IWF — soll das Verfahren einleiten.
  • Nicht die Rück­zah­lung der Auslands­schulden, sondern der Wieder­aufbau des sozialen Netzes, des produk­tiven Sektors und die Befrie­di­gung der Grund­be­dürf­nisse der Bevöl­ke­rungs­schichten mit niedrigem Einkommen sollen als höchste Priorität in dem Verfahren definiert werden.
  • Insti­tu­tionen und Vertre­tungen der argen­ti­ni­schen Zivil­ge­sell­schaft sollen daran beteiligt sein.
  • Inter­na­tional abge­stimmte Maßnahmen sollen getroffen werden, um die Rück­füh­rung von mehr als 100 Mrd. US$ zu gewährleisten

Deutsch­land hat 1953 einen weit­ge­henden Schul­den­er­lass im Rahmen des Londoner Abkommens erhalten. Nicht die Lohn­ab­hän­gigen und Rentner, sondern argen­ti­ni­sche und inter­na­tio­nale Kapi­tal­spe­ku­lanten sollen ihre Mitver­ant­wor­tung für die Über­win­dung der schlimmsten Wirt­schafts­krise in der Geschichte Argen­ti­nien tragen.

Siegburg, den 23.01.02

Pedro Morazán arbeitet beim Institut SÜDWIND.

Bibliographie

Calcagno, A. E. und Calcagno, E. (2001a): Genea­logia del „modelo”: deuda vie-ja, deuda nueva y dola­ri­za­ción, Buenos Aires.

Calcagno, A. E. und Calcagno, E. (2001b): Los intentos de dola­ri­za­ción en la Argentina, en Nueva Sociedad, Nr. 172, Caracas.

Olmos, A. (1995): Todo lo que Ud. quizo saber sobre la deuda externa y siem-pre se lo ocultaron, Buenos Aires.

Schvarzer, J. (1997). La estruc­tura produc­tiva argentina a mediados de la dé-cada del noventa. Tenden­cias visibles y un diagnóstico con inter­rogan-tes.

Schvarzer, Jorge (2001): La larga crisis de la deuda en la América Latina, versión corregida y actua­lizada de un estudio previo, publicado por UNRISD (Paper n o 1 de la serie Social Policiy and Deve­lo­p­ment, mayo de 2000.

Anmerkungen:

  1. In Deutsch­land hat sich eine Initia­tive unter den Namen Argen­ti­nien-Anleihen gegründet, die bereits konkrete Schritte in diese Richtung unter­nehmen will.
  2. Siehe Calcagno: Genea­logia del „modelo”: deuda vieja, deuda nueva y dolarización
  3. Mit den Beschluss A‑251 der argen­ti­ni­schen Zentral­bank vom 17 November 1982 wurden der Prozess abge­schlossen, siehe ebenda.
  4. Mehr als eine Million Rentner erhielten in den 90er Jahre weniger als 200 US$ monatlich. Die in US$ gemessene Kaufkraft Argen­ti­niens ist vergleichbar mit der in den Indus­trie­län­dern. Der Betrag liegt 30% unter dem durch­schnitt­li­chen Real­ein­kommen der Rentner in den 80er Jahre. Die Meisten von ihnen zählen heute zu der Armuts­be­völ­ke­rung Argen­ti­niens. Siehe Schvarzer (2001).
  5. Siehe Calcagno A. E. und Calcagno, E. (2001a).
  6. Siehe Schvarzer (2001).
  7. Siehe Schvarzer (1997 und 2001).
  8. Diese Infor­ma­tionen stammen aus der «Encuesta Periódica de Hogares» (Regel­mä­ßige Erhebung der Haushalte), die von el INDEC (Natio­nal­büro für Statistik) durch­ge­führt wird.
  9. Siehe Schvarzer (2001)

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