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Volkswirtschaft

Ist die nachgebende US-Wirtschaft in Gefahr, Japans lange und langsame Ohnmacht nachzuahmen?

Von JACOB M. SCHLESINGER und PETER LANDERS
Übersetzt von Kai Hackemesser

Original aus dem Wall Street Journal kann hier gefunden werden.

Die Entschei­dung der Federal Reserve, ihren Zinssatz auf 2% zu senken, ihre zehnte Zins­sen­kung dieses Jahr, brachte die US-Zentral­bank näher an den Tag heran, wo ihr die Zins­sen­kungs-Munition ausgehen wird. Und das wirft eine erschüt­ternde Frage auf: Könnte die USA den gleichen trost­losen volks­wirt­schaft­li­chen Pfad einschlagen, den Japan ein Jahrzehnt zuvor geschritten ist?

Mit jeder vergan­genen Woche häufen sich die Gemein­sam­keiten. In den Acht­zi­gern wurde Japan als kapi­ta­lis­ti­sche Modell-Volks­wirt­schaft betrachtet; in den Neun­zi­gern hielten die USA diese Auszeich­nung. In beiden Fällen endeten die guten Zeiten mit dem Zerplatzen einer Akti­en­markt-Blase, wenigs­tens teilweise durch eine nervöse Zentral­bank ange­sto­chen. In beiden Fällen erwiesen sich die Vorraus­sagen einer schnellen Kehrt­wende als falsch.

Die über­trie­bene ameri­ka­ni­sche Inves­ti­tion in Glasfaser-Hoch­ge­schwin­dig­keits-Tele­fon­lei­tungen findet ihren Widerhall in Japans Inves­ti­ti­ons­orgie in Spei­cher­bau­stein-Fabriken ein Jahrzehnt zuvor. Die mißliche Lage einer wohl­an­ge­se­henen ameri­ka­ni­schen Firma, Enron Corp. — die zwei Drittel ihres Markt­wertes in nur drei Wochen verloren hat — erinnert an die zuvor unsicht­bare Schwäche, die Japans Zusam­men­bruch für viele Banken dieses Landes vor Augen geführt hat. Selbst das jüngste Gezänk im US-Kongreß, welches beab­sich­tigt, ein Paket an wirt­schafts­sti­mu­lie­renden Maßnahmen scheitern zu lassen, hört sich unheim­lich gleich dem büro­kra­ti­schen und poli­ti­schen Gerangel an, welches deutliche Reformen in Japan durch­kreuzt hat. Und jetzt sieht die US-Währungs­po­litik, die als mäch­tigstes Werkzeug zur Bekämp­fung der Abschwünge der Nation betrachtet wird, zunehmend wie die Japans aus, wo die Zinssätze auf Null gefallen sind. Japan hat ein Jahrzehnt der Stagna­tion ausge­dauert. Könnte das hier passieren? Die meisten Analysten antworten weiterhin mit einem deut­li­chen Nein. Sie heben hervor, daß Japan nicht nur eine Akti­en­markt­blase hat platzen lassen, sondern auch eine Immo­bi­li­en­blase, welche wiederum das japa­ni­sche Banken­system flach­ge­legt hat. Die US-Blase scheint sich auf Aktien zu beschränken, und das ameri­ka­ni­sche Banken­system bleibt stark. Auch die US-Politiker bestehen darauf, klüger zu sein als ihre Japa­ni­schen Gegen­spieler, teilweise, weil sie aus deren Fehlern lernten. Und, fügen sie hinzu, das ameri­ka­ni­sche volks­wirt­schaft­liche und poli­ti­sche System sei flexibler als das Japans und könne schneller notwen­dige Repa­ra­turen durchführen.

Kein „passender” Vergleich

Es ist einfach, den Verdacht zu wecken, daß die Volks­wirt­schaften Japans und Amerikas einige Gemein­sam­keiten haben”, sagte der US-Finanz­mi­nister Paul O’Neill kürzlich in einem Interview. „Ich denke nicht, daß es passend sei, einen Vergleich zu ziehen.” Unter anderem sagte er: „Sie haben keine offene Volks­wirt­schaft. Etwas, was für unsere Volks­wirt­schaft wirklich vorteil­haft ist, ist unsere Offenheit und der Wett­be­werb, dem wir gestattet haben, herein­zu­kommen, von auslän­di­schen Liefe­ranten überall auf der Welt ….” Außerdem hat die US-Zentral­bank ihre Zins­sen­kungs­mög­lich­keiten noch nicht verschossen. Als sie am Dienstag ihre halb­pro­zen­tige Zins­sen­kung bekannt gab, hat der Ausschuß der FED deutlich gemacht, daß sie gewappnet seien, die Zinsen bis in den 1%-Raum zu senken, wenn ihnen das notwendig erschiene. „Für die absehbare Zukunft”, erklärten sie, „sind die Risiken eher zu Bedin­gungen hin geneigt, die eine volks­wirt­schaft­liche Schwäche bewirken.” Die US-Märkte haben sich in den letzten Wochen in Erwartung, daß die FED immer noch in der Lage sei, die Dinge nächstes Jahr ins Lot zu bringen, eine Rallye geliefert. Tatsäch­lich, nachdem der Handel am Dienstag vor der Bekannt­gabe der FED um 14:15 EST etwas leichter gehandelt hatten, schwang sich der Dow Jownes um 150,9 Punkte oder 1,59% hoch und schloß bei 9591,12, nur 14 Punkte unter dem Schluß­kurs am Tag vor dem terro­ris­ti­schen Angriff auf die USA am 11. September. „Die lang­fris­tigen Erwar­tungen für Produk­ti­vi­täts­zu­wachs und die Volks­wirt­schaft sehen weiterhin viel­ver­spre­chend aus und sollten offen­sicht­lich werden, sobald die unüb­li­chen Kräfte, welche die Nachfrage einschränken, nach­lassen”, sagte die FED in ihrer Stel­lung­nahme am Dienstag. Die Japaner waren jedoch vor einem Jahrzehnt nicht weniger zuver­sicht­lich über ihre Volks­wirt­schaft, selbst als sie in die verlän­gerte Krise hinein­rutschten. „Unsere Grund­lagen sind solide”, erklärte der Gouver­neur der Bank of Japan, Ysushi Mieno, als er 1991 anfing, die Zinssätze zu senken.

Der japa­ni­sche Nikkei Akti­en­index hatte in der Spitze im Dezember 1989 beinahe 40000 Punkte. 1991 aber, als die drei führenden Volks­wirt­schafts­in­sti­tute lang­fris­tige Voraus­sagen für Japans nächstes Jahrzehnt und darüber hinaus heraus­brachten, sahen sie alle lang­fristig ein sich fort­set­zendes volks­wirt­schaft­li­ches Wachstum von zwischen drei und fünf Prozent pro Jahr. Statt­dessen wuchs das Land zwischen 1992 und 2000 mit einem jähr­li­chen Durch­schnitt von 1,1%.

Im April 1992, als der Nikkei bei 17000 seinen Boden erreicht zu haben schien, sagten ein Dutzend Top-Propheten noch immer einen volks­wirt­schaft­li­chen Wachstum Japans von zwei bis drei Prozent für das folgende Jahr voraus. Heraus­ge­kommen sind 0,4%. Heute hängt der Nikkei bei etwa 10000 herum, und Japans Wirt­schaft steckt in ihrer vierten Rezession des letzten Jahrzehnts.

Ein Grund für die uner­war­tete Länge und Tiefe des japa­ni­schen Nieder­gangs ist, daß seine 1980er Blase aus Myriaden destruk­tiver Exzesse geschaffen wurde, von welchen viele erst offen­sicht­lich wurden, als die Blase geplatzt ist. Beispiels­weise begannen die Immo­bi­li­en­preise erst 1991 zu fallen — und viele Analysten dachten, daß der Nieder­gang temporär sei. Erst Mitte der Neunziger erkannten die Volks­wirt­schaftler, wie schwer­wie­gend der Sturz der Immo­bi­li­en­preise Japans Groß­banken getroffen hatte.

Diese schlechten Inves­ti­tionen verfolgen weiterhin die japa­ni­schen Banken. Die Banken haben nicht direkt so viel an Immo­bi­li­en­spe­ku­lanten verliehen; statt­dessen ging das Geld über Vermittler wie nicht bänkliche Finanz­firmen und Bauge­sell­schaften. Heute sind viele dieser Bauun­ter­nehmer nahezu insolvent, und die Banken müssen wohl gewaltige Abschrei­bungen hinnehmen. „Wir erkannten, daß es eine lange Zeit in Anspruch nehmen würde, um es in Ordnung zu bringen, aber wir meinten, zwei oder drei Jahre”, sagte Yoshimasa Nishimura, ein früherer Leiter des Banken­amts des japa­ni­schen Finanz­mi­nis­te­riums über die Blase.

Überschußkapazität

Und die Hersteller haben viele Jahre gebraucht, um zu erkennen, daß die Kapazität, die sie während der Blase aufgebaut hatten, niemals gebraucht würde. Die Auto­her­steller haben 1990 in Japan 13,5 Millionen Fahrzeuge inklusive Lastwagen und Bussen gebaut. Diese Zahl fiel seitdem allmäh­lich und liegt nun bei etwa zehn Millionen pro Jahr. Seit Jahren haben die Gesell­schaften Über­ka­pa­zi­täten und Arbeits­kräfte gehalten, darauf wettend, daß der Einbruch temporär sei. Als Japans Wirt­schaft sich zuerst abkühlte, war die Über­zeu­gung weit­ver­breitet, daß seine Regierung den Rückgang einfach in den Griff bekomme. In den Acht­zi­gern hatten die bewun­derten Büro­kraten einen so schim­mernden Ruf wie etwa Mr. Greenspan in den USA in den Neun­zi­gern. Mit kurz­fris­tigen Zins­sätzen bei 6% und einem Haus­halts­über­schuß von 8,8 Billionen Yen (etwa 72,3 Milli­arden Dollar) — etwa 2% des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts — hatten die japa­ni­sche Zentral­bank und das Parlament massig Raum für Zins­sen­kungen, Steu­er­sen­kungen und unter­stüt­zende öffent­liche Ausgaben. Die Bank of Japan hat letztlich die Zinssätze um fast die ganzen sechs Prozent gesenkt. Die Politiker haben den gesamten Überschuß verwendet, und die Regierung sogar ein Haupt­bugdet-Defizit — Defizit ohne Anlei­hen­aus­gabe und Rück­zah­lung — von 11 Billionen Yen, 2% des BSP einfahren lassen. Aber sie handelten zu langsam und versagten letzt­end­lich darin, die Wirt­schaft anspringen zu lassen.

Die ameri­ka­ni­schen Politiker geben sich höhere Noten für ihre Reak­ti­ons­ge­schwin­dig­keit. Die FED hat die Zinssätze um 4,5 Prozent­punkte in nur zehn Monaten gesenkt. Dafür hat die Bank of Japan mehr als vier­ein­halb Jahre gebraucht.

Zudem hat der US-Kongreß einen beispiel­losen Budget­über­schuß in nahezu sichere Defizite gewandelt, indem er eine gewaltige Dollar-Billion-Steu­er­sen­kung für die nächsten zehn Jahre dieses Jahr früher ange­nommen, 40 Milli­arden Dollar zur Wirt­schafts­sti­mu­la­tion und 15 Milli­arden Dollar zum Heraus­boxen der Flug­li­nien nach dem Terro­ris­ten­an­griff vom 11. November schleu­nigst genehmigt hat. Die Kongreß­mit­glieder stecken jetzt in einer Patt­si­tua­tion zwischen entweder 75 oder 100 Milli­arden Dollar an weiteren Stimu­la­ti­ons­ak­tionen, aber die Chancen stehen gut, daß die Verord­nung noch vor Jahres­ende in Kraft tritt. Die japa­ni­sche Diät hat dagegen andert­halb Jahre gebraucht, bis sie ihr erstes Stimu­la­ti­ons­paket durch­ge­bracht hatte.

Noch wichtiger als die Geschwin­dig­keit der ameri­ka­ni­schen Politiker könnte aller­dings die Flexi­bi­lität der ameri­ka­ni­schen Wirt­schaft selbst sein. Analysten meinen, daß die US-Volks­wirt­schaft eine selbst­rei­ni­gen­dere Form von Kapi­ta­lismus habe, die viele Exzesse abge­schreckt habe, die sich in Japan während der Achtziger gebildet hatten.

Vor einem Jahrzehnt gaben die Japaner damit an, die geheime Formel zu besitzen, um die Markt­zy­klen abzu­fla­chen. Gesell­schaften hatten freund­liche Aktionäre wie auch Banken, die „gedul­diges Kapital” lieferten, welches lang­fris­tige tech­no­lo­gi­sche Inves­ti­tionen ermög­li­chen, im Gegensatz zu schwachen Quar­tals­ge­winnen. Einstel­lungen auf Lebens­zeit garan­tiert den gegeben Arbeit­neh­mern ein Gefühl von Einkom­mens­si­cher­heit, was sie auch in Abschwüngen zu Ausgaben ermutigt. Im Nach­hinein betrachtet sehen diese Eigen­schaften wie Schwächen aus — Faktoren, die Japans Gesell­schaften von den Zwängen des Freien Marktes abge­schirmt hatten, welche Japan effi­zi­enter gemacht hätten. Das US-System hingegen wird als besser gerüstet angesehen, um Ressourcen aus unpro­duk­tiven in produk­tiven Gebrauch zu überführen.

Auch heute nach dem jahr­zehn­te­langen Abrutsch weigert sich die japa­ni­sche Gesell­schaft Matushita Electric Indus­trial Co., auch nur einen ihrer 130.000 Ange­stellten in Japan zu entlassen, trotz der für dieses Jahr erwar­teten Verluste von über 2 Milli­arden Dollar. Das ein himmel­weiter Unter­schied zu US-Gesell­schaften wie etwa Inter­na­tional Business Machines Corp. und AT&T Corp., die Arbeits­kräfte sogar in Boom-Jahren entlassen haben, was Tech­no­logie-Talenten die Freiheit gegeben hat, zu neueren, schnell wach­senden Rivalen wie Dell Computer Corp. oder Cisco Systems Inc. zu wechseln.

Teilweise ist es die Absicht der US-Politiker, kurz­fris­tige Schmerzen anzu­richten, die diese Flexi­bi­lität erst gestattet. Ameri­ka­ni­sche Beamten argu­men­tieren, daß Japan aus seiner Krise schneller heraus­käme, wenn es seine Banken­krise wie die USA die ameri­ka­ni­sche Ersparnis- und Gehäl­ter­krise in den Acht­zi­gern handhaben würden. Damals haben regie­rungs­ver­ord­nete Spar­sam­keits-Schlie­ßungen und Zwangs­voll­stre­ckungen verur­sacht, daß Aktionäre ihre Inves­ti­tionen und Schuldner ihre Besitze verloren. In Japan werden die geschei­terten Banken gestützt, und ihre Probleme schwären vor sich hin.

Dennoch sind Amerika-artige Freie Märkte kaum immun gegen Exzesse, was immer deut­li­cher wird, je länger die Volks­wirt­schaft leerläuft. Telekom-Gesell­schaften haben zig Milli­arden Dollar ausge­geben, um zig Millionen Kilometer Glas­fa­ser­kabel zu verlegen, von denen nun schät­zungs­weise 2,6% genutzt werden.

Der Blue Chip American Express Co. hat zuletzt mehr als eine Milliarde Dollar Inves­ti­tionen in Ramsch­an­leihen abschreiben können, die als relativ unriskant galten, solange die Volks­wirt­schaft anstieg. Der „Supreme”-Verleiher Providian Financial Corp. machte seine Gewinne und seinen anstei­genden Akti­en­kurs in den späten Neun­zi­gern damit, daß er den weit­ge­hend unbe­ach­teten Konsu­men­ten­kreis mit befleckten Schufa-Daten bediente. Providian bestand darauf, daß sie ausge­feilte Modelle zur Begren­zung ihrer Risiken anwendete. Nichts­des­to­trotz hat sie zuletzt über­ra­schend einen 71%-Einbruch in ihren Dritt­quar­tals-Gewinnen letzten Monat verkündet, und ihr Akti­en­kurs fiel um mehr als die Hälfte.

Weitere Über­ra­schungen sind sicher noch auf Lager. Viele Analysten argu­men­tieren, daß der US-Akti­en­markt — nun mehr als 25% unter seinen Spit­zen­werten — immer noch eine Blase sei, die darauf warte, weiter zu defla­tio­nieren. Der Standard & Poor’s 500 Akti­en­index handelt noch immer bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis zwischen 21 und 28 je nach Messweise und müßte der Leuthold-Gruppe zufolge (Eine Anla­ge­for­schungs­ge­sell­schaft in Minnea­polis) mindes­tens um 30% fallen, um sein histo­ri­sches KGV von 15 zu erreichen.

Kredit­auf­nah­me­über­schwang

Für einige Analysten ist der große Betrag an ausste­henden Konsu­men­ten­schulden in den USA eine tickende Zeitbombe, die sich mit den ausste­henden Krediten, welche die japa­ni­schen Banken herun­ter­ziehen, messen kann. Die ameri­ka­ni­schen Haushalte haben freizügig Kredite aufge­nommen, und ihre Erspar­nisse sind während der Neunziger Jahre in sich zusam­men­ge­sunken. In guten Zeiten, bei stei­genden Löhnen und Aktien-Port­fo­lios schien die Situation kontrol­lierbar. Aber jetzt, wo der Einkom­mens­wachstum sich verlang­samt und Invest­ment­ge­sell­schaften schrumpfen, kann die Last außer Kontrolle geraten. Die FED schätzt, daß die Schul­den­dienst­last der Schulden — das Verhältnis an Schul­den­zah­lungen zum Netto­ein­kommen — etwas früher dieses Jahr zum ersten Mal seit 1987 über 14% gestiegen ist. Gleich­zeitig erreichte die Zahl an Ameri­ka­nern, die Privat­bank­rott erklärten, die Rekord­marke von 390.064.

Ein Grund für das Anschwellen der ameri­ka­ni­schen Kredit­auf­nahme war ein scharfer Anstieg in der Zahl der neuen Hypo­theken und eine Welle von Hypo­theken-Refi­nan­zie­rungen, um einen Nutzen aus den fallenden Zins­sätzen und den stei­genden Immo­bi­li­en­preisen zu ziehen. Sowohl die Haus­ver­käufe als auch die Konsu­men­ten­aus­gaben, gedeckt durch die stei­genden Haus­preise waren die seltenen leuch­tenden Punkte des letzten Jahres in einer ansonsten trost­losen Volkswirtschaft.

Aber es gibt da auch Gefahren. Ein Bedenken: Daß der scharfe Preis­an­stieg bei Häusern während der letzten vier Jahre — dem Büro der Bundes­ge­bäu­de­markt­auf­sicht (Office of Federal Housing Enter­prise Oversight) in Washington zufolge national über 20% infla­ti­ons­be­rei­nigt, und an Brenn­punkten wie Silicon Valley mehr als 60% — könnte sich in eine Minia­tur­ver­sion der japa­ni­schen Immo­bi­li­en­blase verwandeln.

Eine weitere Sorge: Daß Amerikas Immo­bi­li­en­markt nicht voll­ständig durch Kräfte des freien Marktes gesteuert werde. Vielmehr gilt die Theorie, daß er wie durch die japa­ni­sche Regierung mit Subven­tionen gestützt wird und einfache Kredit­be­din­gungen durch die weit­ver­brei­tete Ansicht möglich gemacht werden, daß die Regierung die Rechnung für jeden Versager bezahlen würde.

Der Hypo­the­ken­markt der Nation wird von Fannie Mae und Freddy Mac dominiert, regie­rungs­be­voll­mäch­tigte Gesell­schaften, die in Aktio­närs­be­sitz sind, aber immer noch zahl­reiche impli­zierte und expli­zierte Subven­tionen erhalten, wie etwa Steu­er­ermä­ßi­gungen und eine Notfalls-Kredit­linie vom US-Schatzamt. Die beiden in Washington ansäs­sigen Gesell­schaften, geben sich tatsäch­lich nicht gegen­seitig Hypo­theken. Statt­dessen kaufen sie Hypo­theken von Verlei­hern und verwan­deln sie in handel­bare Sicher­heiten. Dadurch spielen sie eine Haupt­rolle in der Beein­flus­sung der Größe und Gestal­tung des Marktes, indem sie Garantie-Standards für die Kredite setzen, die sie kaufen.

Manche Konser­va­tiven — inklusive Mr. Greenspan von der FED — haben Bedenken geäußert, daß Fannie und Freddie durch die Verwen­dung von Regie­rungs­sub­ven­tionen zur Expansion des Immo­bi­li­en­marktes, Verzer­rungen schaffen, Kapital von produk­ti­veren Verwen­dungen wegziehen. Das Budget-Amt (Rech­nungshof?) des Kongresses schätzt, daß die beiden Gesell­schaften letztes Jahr Subven­tionen genossen haben, die sich auf 10,6 Milli­arden Dollar aufad­dieren — eine über­trie­bene Zahl, sagen sie. Andere Kritiker meinen, daß die Gesell­schaften weitere und riskan­tere Verlei­hungen fördern, als ein völlig freier Markt erlauben würde — ein Bild, welches die Immo­bi­li­en­nach­frage in naher Zukunft unter­stützen mag, aber das Risiko eines größeren Zusam­men­bruchs später erhöht. Japans Leiden wurden durch die formellen und unfor­mellen Regie­rungs­de­ckungen für die Verleiher verschärft. Das schließt die Government Housing Loan Corp. mit ein, die jährlich drei Milli­arden Dollar Subven­tionen und ein separates Programm zur staatlich betrie­benen Kredit­ga­rantie bekommt, welches viele technisch bankrotte Klein­un­ter­nehmen über Wasser hält.

Der Vorsit­zende Frank Raines von Fannie Mae weist die Idee irgend­wel­cher Gemein­sam­keiten seiner Gesell­schaft und Japan-artigen Subven­tionen von sich. „Deren Hypo­the­ken­ge­sell­schaft hatte keine Privat­markt-Disziplin — kein privates Manage­ment, kein privates Gesamt­ver­mögen, kein privates Fremd­ka­pital.” Fannie, meint er, habe dies alles, wie auch strenge Regu­la­ti­ons­stan­dards, die von der Gesell­schaft fordern, genügend Kapital bei der Hand zu halten, um einer Kata­strophe wider­stehen zu können. Die privaten Anleger, ergänzt er, haben auch alles Interesse daran, eine zu riskante Verlei­hung zu unter­binden, da sie ihre Inves­ti­tionen verlieren würden, selbst wenn die Regierung einspringen würde, um die Kredite zu decken. Überall an der Unter­neh­mens­front rühmt man sich der Flexi­bi­lität der ameri­ka­ni­schen Volks­wirt­schaft — während sie viel­leicht die Effizienz auf lange Sicht steigert — kann sie auch dazu dienen, einen Abschwung zu inten­si­vieren. Die Bereit­schaft ameri­ka­ni­scher Gesell­schaften, Entlas­sungen anzu­wenden, sobald sich erste Zeichen der Schwäche zeigen, riskiert ein zusam­men­ge­prü­geltes Konsu­men­ten­ver­trauen. Allein in den letzten drei Monaten stieg die Arbeits­lo­sig­keits­rate um beinahe einen ganzen Prozent­punkt — auf im Oktober 5,4% nach 4,5% im August, und sie über­steigt mal wieder die Japans, welche nach einem Jahrzehnt der Stagna­tion noch immer bei 5,4% liegt.

Ein dünnes Sicherheitsnetz

Selbst Arbeiter, die angeblich durch Gewerk­schafts­ver­träge geschützt sein sollen, haben ein dünnes Sicher­heits­netz. Im Gefolge der Terro­ris­ten­an­griffe haben sich die großen Flug­ge­sell­schaften wie AMR, American Airlines und Delta Air Lines auf Klauseln über höhere Gewalt in den Arbeits­ver­trägen berufen, was ihnen ermög­lichte, viele verein­barte Schutz­maß­nahmen zu umgehen und Arbeits­kräfte ohne Vorwar­nung zu entlassen. Teilweise deswegen plumpste der Verbrau­cher­ver­trau­ens­index des Confe­rence Boards auf 85,5 im Oktober gegenüber 114 im August, einer der deut­lichsten Rückgänge seit Aufzeich­nungs­be­ginn. Während Japans einmalige Umstände für einige seiner Probleme verant­wort­lich sind, können sie auch einen breiteren und stören­deren Punkt illus­trieren: Daß Politik manchmal recht machtlos ist, die destruk­tiven Kräfte einer plat­zenden Blase zusammenzuhalten.

Da die Gesell­schaften an Über­ka­pa­zi­täten zu tragen haben, haben sie wenig Anreiz, zur Expansion Kredite aufzu­nehmen, egal wie tief die Zinssätze fallen. Selbst nach dem scharfen Einbruch im Kapi­tal­ver­brauch im letzten Jahr lag der Prozent­satz der genutzten Indus­trie­ka­pa­zität in den USA im September bei gerade 75,5% — der nied­rigste Stand seit 1983 und schwer­lich ein Grund für Gesell­schaften, neue Fabriken zu bauen.

Entlas­sungs-verängs­tigte Konsu­menten werden wohl auch ungern die zur Ankur­be­lung des Konsums in Kraft gesetzten Steu­er­ra­batte ausgeben. Eine kürzliche Umfrage der Univer­sität Michigan schloß, daß nur einer von fünf Haus­halten die Rabatt­schecks, die diesen Sommer versandt wurden, ausgeben würden, der Rest würde das Geld sparen oder zur Bezahlung seiner Schulden nutzen. Im Extrem­fall kann der Versor­gungs­über­schuß aus einer kolla­bie­renden Blase einen Teufels­kreis der Deflation oder der fallenden Preise auslösen. In einer defla­to­ri­schen Umwelt zügeln die Verbrau­cher ihre Ausgaben und warten, um die Güter in der Zukunft billiger zu kaufen. Schuldner werden durch ihre Schul­den­last erdrückt, da ihre Schulden relativ gesehen teurer werden. Gesell­schaften, die gezwungen sind, ihre Preise zu senken, entlassen Arbeits­kräfte und kaufen weniger Vorräte, was das Leid in der gesamten Volks­wirt­schaft verbreitet.

In Japan läuft die Deflation allen Ernstes seit 1998 nach dem Zusam­men­bruch einer Großbank und Versi­che­rungs­ge­sell­schaft. Sowohl 1998 und 1999 fielen die Groß­han­dels­preise um 1,5%, und nach einem ausge­gli­chen Jahr 2000 fielen sie 2001 wieder. Soweit sind die USA noch nicht. Aber die Gebrauchs­ar­ti­kel­preise sind seit 1998 stark gefallen, während die US-Konsu­men­ten­preise in manchen Messungen scheinbar ins Rutschen geraten. Die Handels­kammer berich­tete letzte Woche, daß ihr bevor­zugtes Instru­ment zur Messung der Inflation — der Preis­index für allge­meine Haus­halts­ein­käufe, oder von US-Bürgern bezahlte Preise — im dritten Quartal um 0,3% gefallen ist, ein starker Rückgang im Vergleich zu den 1,3% Anstieg im zweiten Quartal und der erste quar­tals­mä­ßige Rückgang seit 40 Jahren. (Analysten sagen, die Zahl sei künstlich vermin­dert durch Einmal­fak­toren in Bezug auf den 11. September — Auszah­lungen der Versi­che­rungen an Begüns­tigte, welche aus Mess­gründen den Preis der Versi­che­rungen reduzieren.)

In einer defla­tio­nären Welt ist die Macht der Zentral­bank verrin­gert, weil Währungs­po­litik nur effektiv wirkt, wenn die Zinssätze unter die Infla­ti­ons­rate fallen können. Das können die Zinssätze aber nicht, wenn die Inflation unter Null fällt.

Kommen­tare an Jacob M. Schle­singer und Peter Landers.

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